Die Beamten des Arbeitsbereichs Prostitution haben 2017 in Stuttgart 1686 Frauen erfasst, 240 auf dem Straßenstrich, 1446 in Rotlichtbetrieben. Foto: Mauritius - Mauritius

Mehr als ein Jahr nach dem Inkrafttreten zeigt das neue Prostituiertenschutzgesetz Wirkung.

StuttgartWir suchen neue Standorte, und Sie können daran verdienen.“ Das ist auf der Webseite des Bordells in der Innenstadt zu lesen, wenn man von den Fotos der Frauen auf der Seite nach unten scrollt. Der Rotlichtbetrieb hat allen Grund, sich eine neue Bleibe zu suchen. Zumindest mittelfristig. Schon seit Sommer 2017 ist das neue Prostituiertenschutzgesetz in Kraft. Lange waren Land und Stadt mit den Ausführungsbestimmungen und dem Aufbau der Organisation vor Ort beschäftigt. „Es ist noch alles beim Alten“, sagt Steffen Magewski, der Leiter des Arbeitsbereichs Prostitution bei der Polizei. Doch langsam tut sich was.

So soll von Januar an bei Kontrollen in Rotlichtbetrieben eine Ordnungswidrigkeit angezeigt werden, wenn eine Prostituierte keine Anmeldung vorweisen kann. Allerdings sei es schon jetzt eher „die Ausnahme“, dass eine in einem Bordell angetroffene Frau „gar nichts vorlegen kann“, sagt Magewski. Also keine Anmeldung und auch keine Bestätigung der Stadt für eine kommende Beratung. „Und viele Frauen haben Anmeldebescheinigungen von außerhalb, auch aus anderen Bundesländern.“ Nicht glücklich ist der Beamte, dass die Wartezeit für die Beratung einer Prostituierten bei der Stadt noch vier bis sechs Wochen betrage. „Das ist recht lang“, sagt Magewski.

Inzwischen läuft die Beratung des städtischen Gesundheitsamts. Jede Prostituierte muss zwei Pflichtgespräche absolvieren, um eine Anmeldebescheinigung zu bekommen: eines zu allgemeineren Fragen wie etwa dem Hilfesystem, ein zweites zur Gesundheit. Bis zur Jahresmitte sind mit 221 Frauen 445 Gespräche geführt worden. Etwa 490 Prostituierte gehen laut Polizeistatistik jeden Tag in Stuttgart anschaffen. In der Anfangszeit gab es Verständigungsprobleme, weil Frauen aus vielen Ländern, vor allem aus Rumänien, Bulgarien und der Dominikanischen Republik, in die Beratung kommen. Nun könne man auf Videodolmetscher zurückgreifen, sagt Christine Winzer vom Gesundheitsamt. „Das funktioniert sehr gut.“

Entscheidend für den Gang der Dinge wird sein, wie das Ordnungsamt die von Rotlichtbetrieben eingereichten Anträge auf eine Genehmigung beurteilt. Von anfangs 67 Anträgen liegen dem Amt noch 59 vor. Einige seien „zurückgenommen worden“, sagt Albrecht Stadler, der zuständige Abteilungsleiter. Für 2017 sind in der Statistik 142 „Prostitutionsobjekte“ in Stuttgart aufgeführt, 15 weniger als im Jahr davor. Bei den Rücknahmen handelt es sich um eher kleine Betriebe, so um zwei Massagestudios, zwei BDSM-Adressen, wo sadomasochistische Sexpraktiken angeboten werden, und eine Vermittlungsagentur. Diese Etablissements müssen zumachen. Die Kontrollen, ob dies der Fall ist, sollen bald beginnen.

Doch wie geht es mit den größeren Rotlichtobjekten weiter, mit Laufhäusern, Bordellen, Gebäuden mit Terminwohnungen? Nach 48 Betriebskontrollen nähere man sich vielfach der „Entscheidungsreife“, sagt Albrecht Stadler. Im oben genannten Fall des Bordells in der Innenstadt soll diese Woche der Ablehnungsbescheid ergehen, der erste in Stuttgart. Das dürfte in nächster Zeit auch anderen Betrieben so gehen. Meist nicht, weil sie die Mindestanforderungen nach dem neuen Prostituiertenschutzgesetz nicht erfüllen, also etwa kein Notrufsystem haben, für Frauen und Freier keine getrennten sanitären Anlagen oder eigene Wohnbereiche für die Prostituierten außerhalb des Arbeitsbereichs. „Ganz überwiegend kriegen die das recht schnell hin“, sagt der Abteilungsleiter – oder sie seien doch dabei. Als Schlafmöglichkeit für die Frauen bieten sich offenbar Hotelabsteigen, wo bisher zum Beispiel Monteure nächtigten, die so eine neue, feste Kundschaft bekommen. Der größeren Zahl der Betriebe dürfte das Baurecht ein Ende machen. Viele liegen in Bereichen, wo sie nach den Vergnügungsstättensatzungen nicht sein dürfen. Was nicht heißt, dass die Bordelle, wenn ihnen die Betriebserlaubnis versagt wird, gleich schließen müssten. Die Stadt ordnet keinen Sofortvollzug an. Man erwartet, dass die Betreiber Widerspruch einlegen, dann kommt die Sache vor Gericht. „Die Frage ist, ob dort die Verknüpfung mit dem Baurecht hält“, sagt Albrecht Stadler, das müsse man abwarten. Er hofft, dass bald ein Fall vor dem höchsten Verwaltungsgericht landet und eine „Musterentscheidung“ getroffen wird. Das kann aber noch ein paar Jahre dauern.

Derweil wird die Forderung laut, dass zügig etwas gegen die Bordellbetriebe getan werden müsse. Aus der Szene kommen Klagen, die Stadt tue „nicht einmal im Ansatz etwas“. Da bekämen Bordellbetreiber ihre Zuverlässigkeit bescheinigt, die aus eigennützigen Gründen den Frauen nicht einmal Belege ausstellten für das viele Geld, das sie jeden Monat von diesen bekämen, für ein Zimmer seien das gerne mehr als 3000 Euro im Monat. Die SPD im Rat fordert, man müsse endlich „restriktive Maßnahmen ergreifen, um illegale Bordellbetriebe zu verbieten und die Armutsprostitution einzudämmen“.