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Die Stadt Stuttgart kündigt Geldstrafen in vierstelliger Höhe an. Die Umsetzung des Prostituiertenschutzgesetzes nimmt langsam Fahrt auf.

StuttgartProstituierte müssen sich nun beraten lassen und anmelden, Bordellbetreiber werden auf ihre Zuverlässigkeit geprüft und haben Sicherheitsstandards einzuhalten: Mit dem seit knapp einem Jahr geltenden Prostituiertenschutzgesetz (ProstSchG) hat die Politik einige Neuerungen eingeführt. Dazu gehört die Kondompflicht für Freier, die oft mit Heiterkeit bedacht wurde, weil man diese nicht kontrollieren könne. Doch siehe da: „Wir haben drei Anzeigen vorliegen“, sagt Polizeioberkommissarin Katharina Schwegler vom Arbeitsbereich Prostitution. In den drei Fällen gab es Streitigkeiten zwischen den Freiern und den Huren, zu denen die Polizei gerufen wurde. „Dabei kam heraus, dass der Freier kein Kondom benutzt hat“, sagt Katharina Schwegler. In einem Fall hatte sich der Mann vor dem Ende des Oralverkehrs das Kondom einfach heruntergezogen.

Die Polizistin findet das neue Gesetz mit der Kondompflicht gut. „Die Frauen sind darüber froh. Sie wollen, dass Kondome benutzt werden – und das Gesetz stärkt ihnen den Rücken.“ In den Bordellen hängen dazu mehrsprachige Hinweise. Die Frage ist nun, wie hoch die Strafe für die Verstöße ausfällt. Das Gesetz sieht beträchtliche Geldbußen bis zu 50 000 Euro vor. Es müsse eine „empfindliche Geldstrafe“ sein, da das Verhalten „kein Kavaliersdelikt“ sei, sagt Oberkommissarin Schwegler.

Das sieht man auch bei der Stadt so, welche die Höhe des Bußgeldes festlegt. „Unter 1000 Euro brauchen wir nicht anzufangen“, sagt Albrecht Stadler, der zuständige Abteilungsleiter beim städtischen Ordnungsamt. Das Bußgeld werde „auf jeden Fall vierstellig“, betont er, man müsse „den Wink des Gesetzgebers ernst nehmen“. Endgültig entschieden ist das noch nicht. Auch sonst ist noch einiges zu tun bei der Umsetzung des Gesetzes. Man sei nun „weitgehend arbeitsfähig“, sagt Albrecht Stadler, das Ordnungsamt ist für die Betreiberseite zuständig. Das neue Personal wird sich vordringlich um die Bearbeitung der eingegangenen „Erlaubnisanträge“ kümmern.

Ablauf, Vertrag und Hygiene

Laut Polizei gibt es in Stuttgart 165 Rotlichtbetriebe, von denen bisher 60 bei der Stadt einen solchen Antrag gestellt haben. Dabei zeigt sich, dass das Verfahren sehr aufwendig ist. „Wir brauchen ein vernünftiges, prüffähiges Konzept“, sagt Stadler, was in den meisten Fällen bisher „recht mangelhaft“ sei. So müssen in einem 15-Seiten-Formular die organisatorischen Abläufe in den Rotlichtbetrieben dargestellt werden, die Vertragsstrukturen mit den Frauen, das Notrufsystem, die hygienischen Verhältnisse. Deshalb gehört es derzeit zu den Hauptaufgaben der städtischen Mitarbeiter, eine Anleitung zum Ausfüllen der Anträge zu geben. Immerhin seien „die Betriebe nicht unwillig und machen sich auf, die baulichen und rechtlichen Anforderungen zu erfüllen“, sagt Stadler. Offenbar selbst bei der umstrittenen Auflage, dass die Frauen nicht mehr im „Verrichtungszimmer“ wohnen dürfen und eine zusätzliche Bleibe brauchen. So hätten sich einige Billighotels in der Stadt darauf eingestellt, in denen nun vor allem Prostituierte nächtigen. Die Stadt akzeptiert auch, wenn ein Bordellbetreiber ein Stockwerk als Wohnbereich für die Frauen abtrennt, dass diese „einen Hauch von Privatsphäre“ haben.

Nur: Was ist mit den etwa 100 Betrieben, die noch gar keinen Antrag bei der Stadt gestellt haben? Stadler schätzt, dass darunter Wohnungen seien, in denen Prostituierte alleine oder zu zweien selbstständig tätig sind und die nicht unter die Vorgaben des neuen Gesetzes fallen. Er geht davon aus, dass ein Teil der Betriebe aufgeben werden: „Die Zahl wird sich deutlich reduzieren.“ Nach anfänglicher Skepsis ist er inzwischen zuversichtlich, dass man „die Betriebe und den Markt geordnet bekommt“.

Derweil hat das Gesundheitsamt, das für die Anmeldung und die damit verbundenen Beratungen der Prostituierten zuständig ist, vor eineinhalb Wochen die ersten „Ausweise“ ausgestellt. Bald werden die Anmeldezahlen steigen, sagt Margarete Schick-Häberle vom Gesundheitsamt. „Es haben viele Frauen angerufen und sich einen Termin geben lassen.“ Schon zuvor hatten sich 350 Prostituierte gemeldet, mehr als eine Bescheinigung ihrer Bemühung gab es aber nicht. In absehbarer Zeit dürften die Zahlen deutlich steigen. Laut Polizei sind täglich 450 Dirnen in Stuttgart tätig, im ganzen Jahr 1400.

Anmeldeausweis mit Foto

In jedem Fall sind die Frauen zu zwei Beratungsgesprächen verpflichtet, zu Gesundheitsfragen sowie zu sozialen und rechtlichen Themen. Dann erhalten sie eine Art Anmeldeausweis mit Foto. Wenn dem nicht entgegensteht, dass die Frauen sich in einer Zwangslage befinden. „Das vermuten wir bei vielen“, sagt Margarete Schick-Häberle. Das aber reiche nicht, es müsse „tatsächliche Anhaltspunkte“ dafür geben. Weshalb es kaum Ablehnungen geben wird, wenn die Frauen nicht selbst darüber sprechen. Die Sozialarbeiterin, die seit 30 Jahren in der Beratung von Prostituierten tätig ist, hält für entscheidend, dass ein Kontakt zu den Frauen entsteht, ein gewisses Vertrauen und dass sie das Hilfesystem der Stadt kennenlernen. Gut findet Schick-Häberle, dass „jetzt alle kommen müssen“, Dominas oder Frauen, die in einem Escort-Service oder in einem Studio für Tantra-Massagen tätig sind, genauso wie Straßenprostituierte. Vereinzelt hätten Dirnen deshalb schon aufgehört. Es handle sich dabei vor allem um „Gelegenheitsprostituierte“, sagt Schick-Häberle, die sonst ein bürgerliches Leben führen und jetzt Angst haben, dass sie durch die Registrierung auffliegen könnten.