OB Fritz Kuhn inspiziert die neue Fotovoltaikanlage auf dem Rathausdach. Eine Master­arbeit wirft der Stadt vor, die Energiewende Foto: LG/Leif Piechowski - LG/Leif Piechowski

Vorwurf aus Masterarbeit wird zurückgewiesen, doch auch die Energieagentur des Landes sieht Nachholbedarf.

StuttgartDie durch den Verein Stuttgart Solar ans Licht gebrachte Masterarbeit von Thomas Uhland sorgt in der Stadtverwaltung für Betriebsamkeit. Der junge Ingenieur wirft in seiner Arbeit, die den Titel „Urbanisierung der Energiewende – Fotovoltaik auf Stuttgarter Schulen“ trägt, der Stadt vor, die Energiewende zu vertändeln. Beim gegenwärtigen Tempo würden noch ungefähr 400 Jahre gebraucht, um die dafür geeigneten Dächer in der baden-württembergischen Landeshauptstadt mit Solaranlagen zur Stromerzeugung zu bestücken. Das sei aber dringend notwendig, auf das Umland allein dürfe sich die Kommune bei der Energiewende schließlich nicht verlassen.

Uhland hat seine Thesen in dieser Woche bei einer Veranstaltung von Stuttgart Solar in der Kirche St. Maria vorgestellt. Solaranlagen seien wirtschaftlich, reduzierten die Abhängigkeit von anderen Energieträgern wie Kohle sowie Öl und senkten die Kosten für teure Übertragungsnetze, mit denen große Strommengen über weite Wege transportiert werden müssen. Städte verfügten über ein „unterschätztes Potenzial“. Um das für 2050 gesteckte Ziel zu erreichen, müsse der Ausbau von Fotovoltaik drastisch beschleunigt werden. Bis 2050 will Stuttgart klimaneutral werden, also komplett auf fossile Energieträger verzichten.

Mehr Personal nötig

Stuttgarts Umweltbürgermeister Peter Pätzold (Grüne) hatte in einer Pressemitteilung vor der Veranstaltung erklärt, die Stadt sei „auf gutem Wege, unser hochgestecktes Ziel zu erreichen“. Beim Thema Klimaneutralität gehe es um „weit mehr als Fotovoltaik“. Aber auch in diesem Bereich werde man die Anstrengungen laut Pätzold weiter verstärken. Am Rande der Veranstaltung hieß es, dass dazu allerdings mehr Personal nötig sein würde.

Die Stadt hat bei der Veranstaltung eine Liste aller bisher auf städtischen Schulen und Sporthallen selbst oder durch private Investoren installierten Anlagen vorgelegt. In der Summe sind dies 12 367 Quadratmeter, 2017 kamen zwei, in diesem Jahr bisher nochmals zwei weitere Anlagen hinzu. Bis zu 16 sollen es insgesamt werden. Eine solche Übersicht habe man vor Jahren gefordert, weil der Verein privates Engagement vermitteln wolle, kommentierte dessen früherer Vorsitzender Frank Schweizer.

Von den 1300 Dächern auf städtischen Häusern eigneten sich nur etwa 380 für solche Anlagen, 290 könnten noch belegt werden, sagte Martin Steurer, der im Amt für Umweltschutz die Abteilung Energiewirtschaft leitet. Dieses Potenzial wolle man in den kommenden 15 Jahren erschließen. Statik und Wirtschaftlichkeit müssten dabei strengstens beachtet werden, die Prüfungen dafür kosteten Zeit. Da es nun Fördergeld des Landes gebe, prüfe man künftig auch den Einsatz von Stromspeichern.

„Riesiger Transformationsprozess“

Die Stadt dürfe nicht „Business as usual“ vorleben, also wie üblich handeln, sagte Masterarbeitsverfasser Uhland. Man stehe vor einem riesigen Transformationsprozess, müsse von elf Tonnen Treibhausgasen pro Einwohner im Jahr 2016 auf eine Tonne im Jahr 2050 kommen. „Fotovoltaik deckt 0,7 Prozent des Jahresstromverbrauchs, es könnten 21 Prozent sein“, sagte der junge Ingenieur weiter. „Der zögerliche Ausbau ist uns nicht neu“, ergänzte Volker Kienzlen, der Geschäftsführer der Klimaschutz- und Energieagentur des Landes. Es gebe viel zu tun.

Und Steurer, der Mann im Amt für Umweltschutz, konstatierte, die Klimaschutzziele setze der Gemeinderat, und sie seien ambitioniert. Anschließend fügte Steurer hinzu: „Es gibt kein Muss für den Fotovoltaik-Ausbau durch den Rat.“ Man beschäftige sich nicht mit der Strategie von Thomas Uhland. Die Zusammenarbeit mit den Stadtwerken entwickle sich unterdessen gut, man baue, „was wir können“.