Die Fliegerbombe vom Typ GP 500 steckte seit 1945 in einem Acker zwischen Weilimdorf und Giebel. Foto: Lichtgut / Ferdinando Iannone - Lichtgut / Ferdinando Iannone

2600 Menschen aus Giebel mussten ihre Wohnungen verlassen. Das DRK richtete in der Sporthalle des Solitude-Gymnasiums eine Notunterkunft ein.

StuttgartBei so einer Frage muss auch der Papa passen. „Mein Sohn hat mich gefragt, wie eine Bombe so lange in der Erde überstehen kann“, sagte Larbi Atif, der am Sonntagmorgen mit seiner Frau und seinen beiden drei- und achtjährigen Söhnen die Wohnung im Lurchweg verlassen musste. 74 Jahre steckte die 250-Kilo-Fliegerbombe in einem Ackergrundstück im Gewann Hartwiesen zwischen Weilimdorf und Giebel. Abgeworfen am 28. Januar 1945 bei einem Luftangriff im Zweiten Weltkrieg.

Nicht nur die Familie Atif, sondern insgesamt 2600 Anwohner mussten am Sonntagmorgen ihre Wohnungen aus Sicherheitsgründen verlassen. Es galt, 500 Meter Abstand einzuhalten zu dem brisanten Ding. Die Bombe war beim 43. Luftangriff auf Stuttgart abgeworfen worden, von einem englischen Fliegerbomber. 1,18 Meter lang, mit 120 Kilogramm Sprengstoff gefüllt. Der mechanische Aufschlagzünder löste aber nicht aus. Zum Glück tat er das auch 74 Jahre lang nicht.

Die Frage eines Achtjährigen nach dem Warum stellte sich Sprengmeister Christoph Rottner nicht. Ihm ging es darum, den Zünder der Bombe vom Typ GP 500 zu beseitigen. Das Geschoss war bereits im Februar durch Auswertungen von englischen Luftbildern in drei Metern Tiefe auf einem Acker bei Giebel entdeckt worden. Am Sonntag schaute sich Regierungsvizepräsidentin Sigrun von Strauch die Arbeit des fünfköpfigen Kampfmittelbeseitigungsteams an, das wenige Minuten vor 12 Uhr mit den letzten Drehungen am Zünder schraubt. Sozusagen High Noon.

Die Evakuierung von Teilen der Straßenzüge Lurchweg, Sandbuckel, Engelbergstraße, Giebelstraße, Mittenfeldstraße und Solitudestraße hatte am Morgen bereits um 8 Uhr begonnen und war kurz vor 11 Uhr ohne Zwischenfälle abgeschlossen. Die Polizei durchkämmte zu diesem Zweck das Wohngebiet und die betroffenen Gewanne mit rund 100 Beamten und einem Lautsprecherwagen. Die Bewohner in der abgesperrten Gefahrenzone waren bereits vor zwei Wochen durch die Stadt über die Räumung informiert worden. Wie Stefan Praegert vom Amt für öffentliche Ordnung erklärte, hatten die Anwohner in den Tagen zuvor vom Angebot des eingerichteten Bürgertelefons Gebrauch gemacht: „Wir haben mehr als 200 Telefonate geführt“, so Praegert. Außerdem wurden die Bewohner frühzeitig über die Medien und ein Informationsschreiben der Stadtverwaltung unterrichtet.

Notunterkunft in der Sporthalle

Das Deutsche Rote Kreuz richtete am Sonntag in der Sporthalle des Solitude-Gymnasiums in Weilimdorf eine provisorische Notunterkunft für mehrere Hundert Menschen ein. „Je nach Gesundheitszustand der Personen werden hier auch bettlägerige Menschen versorgt“, betonte Praegert am frühen Morgen. Vor allem Ältere und Familien mit Kindern fanden sich in der Notunterkunft ein. Auch die Familie Atif wartete dort auf die Entschärfung der Bombe.

In der Sporthalle wurden etwa 80 Personen mit Getränken und Speisen versorgt. Einige ältere Personen mussten auch medizinisch betreut werden. Insgesamt waren neben 112 Polizeibeamten 58 Helfer im Einsatz. „Die meisten haben das schöne Wetter wohl für einen Ausflug genutzt und hatten ihre Wohnungen schon frühzeitig verlassen“, resümiert Polizeisprecher Stephan Widmann.

Der Kampfmittelbeseitigungsdienst des Regierungspräsidiums Stuttgart hatte die Bombe bei Routinesondierungen auf einem landwirtschaftlich genutzten Feld jenseits der Solitudestraße entdeckt. Auch umliegende Gartengrundstücke mussten am Sonntag von der Polizei geräumt werden. Der Stadtbahnverkehr der Linie U 6 war während der Bombenentschärfung für eine Stunde unterbrochen.

Kurz vor 12 Uhr gibt Sprengmeister Rottner Entwarnung: „Der Aufschlagzünder konnte problemlos entfernt werden.“ Die Frage, warum die Bombe so lange im Boden überdauern konnte, bleibt unbeantwortet. Im Lager des Kampfmittelbeseitigungsdienstes sind ihre Tage jedenfalls gezählt.