Foto: Lichtgut/Leif Piechowski - Lichtgut/Leif Piechowski

In zwei Monaten hat ein Blitzer am Stuttgarter Neckartor bereits 16.000 Temposünder erwischt. Die Radarfalle überwacht Tempo 40 auf der stark mit Feinstaub belasteten Strecke.

StuttgartWie schafft man das auf so kurzer Strecke? Da staunt selbst der erfahrene städtische Verkehrsüberwacher Joachim Elser: Am Neckartor, stadteinwärts vor einer Kurve, in einem Bereich, in dem eindeutig Tempo 40 als Höchstgeschwindigkeit angezeigt wird, ist ein Autofahrer mit 94 Kilometer pro Stunde unterwegs. „Das muss man an der Stelle erst einmal hinbekommen“, sagt Elser. Für ihn ist das allerdings eine traurige Leistung.

Tempo 40 am Neckartor zur Reduzierung des Schadstoffausstoßes – die Autofahrer überzeugt das eher weniger. Zumindest nicht die gut 16 000 Temposünder, die seit Mitte September geblitzt worden sind. Bis zum Stichtag 15. November waren es genau 15 635 Verkehrsteilnehmer, die auf der B 14 zwischen Heilmannstraße und Neckartor stadteinwärts zu schnell waren. „Eine hohe Anzahl, die zeigt, dass die Maßnahme offensichtlich die richtige war“, sagt Elser. „Die Maßnahme“: Sie beschreibt die neue Waffe der Verkehrsüberwacher, um Tempolimits durchzusetzen. Dabei handelt es sich um einen Blitzer auf einem Anhänger, den man relativ unkompliziert am Straßenrand aufstellt. Dort kann er tagelang selbstständig in Aktion treten, um dann anderswo wieder neu aufgebaut zu werden. Ein Anhänger als Mittelding zwischen stationärer Überwachung und mobiler Flexibilität. „Wir haben gute Erfahrungen damit gemacht“, sagt der Leiter der städtischen Verkehrsüberwachung.

Dann wieder Gas geben

Dabei scheinen vor allem Autofahrer ins Netz zu gehen, die sich mit den Gegebenheiten der Cannstatter Straße gut auskennen. Dort gibt es, etwa 600 und 800 Meter vom Anhänger entfernt, vier stationäre Blitzersäulen, die Tempo 50 auf der mehrspurigen Bundesstraße überwachen. Im vergangenen Jahr sind dort mehr als 20 000 Temposünder registriert worden. Allerdings wird Tempo 50 weitaus öfter nicht eingehalten: Viele Autofahrer bremsen nämlich vor den Säulen ab – um dann wieder Gas zu geben.

Mit dem grauen Kasten, der stadteinwärts hinter der Kreuzung Heilmannstraße lauert, rechnen viele Autofahrer offenbar nicht. Aufgestellt wurde der Blitzer nicht aus Unfallgründen – obwohl auf der kurzen Strecke immer wieder mal Schnellfahrer aus der Kurve fliegen. Vielmehr hofft die Stadt den berüchtigten Feinstaub und Schadstoffausstoß am Neckartor einzudämmen. Autofahrer sollen vor der Kurve nicht beschleunigen und wieder abbremsen – die Autos auf der B 14 sollen stetig mit Tempo 40 zur Willy-Brandt-Straße rollen. Der Versuch dauert bis Jahresende, dann wird ausgewertet.

Immerhin sind die wilden Raser an der Stelle deutlich in der Minderheit. Lediglich 317 Sünder hatten über 60 km/h auf dem Tacho und erwarben sich damit einen Punkt in Flensburg. Auf 35 Schnellfahrer wartet nun ein Fahrverbot.

Einsatz an der Autobahn

Das Erfolgsmodell der Blitzer-Anhänger soll auch auf Autobahnen eingesetzt werden. Der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl (CDU) hat das Modell eines anderen Fabrikats bereits vorgestellt – und es war auch schon an der A 8 auf Höhe der Raststätte Denkendorf im Einsatz. Noch ohne Folgen. „Wir sind in der Testphase“, sagt Renato Gigliotti, Sprecher des Innenministeriums. Vorerst gehe es erst einmal darum, die Beamten zu schulen und das System rechtssicher einzusetzen.

Vorerst sollen die Blitzer-Anhänger des Landes am Bodensee eingesetzt werden – beim Polizeipräsidium Konstanz. „Dort ist der Einsatz wegen der aktuellen Autorennen-Diskussion auf der Autobahn besonders sinnvoll“, sagt Gigliotti. Dabei gibt es ja auch in Stuttgart so manchen Rennfahrer, wie der Blitzer-Anhänger am Neckartor registriert hat. Der traurige Spitzenreiter mit Tempo 94 erhält folgende Trophäe: zwei Monate Fahrverbot, zwei Punkte, 280 Euro Bußgeld.