Alexander Schwab Foto: oh - oh

Von Berlin aus schrieb Alexander Schwab konspirative Rundbriefe an die Widerstandsgruppe Rote Kämpfer in ganz Deutschland. Dafür schickt ihn der Volksgerichtshof ins Zuchthaus.

StuttgartAls die Türe aufgebrochen wird, diktiert Alexander Schwab seiner Sekretärin gerade einen seiner Wirtschaftsbulletins in die Schreibmaschine. Außer den beiden waren an diesem Dienstag nur Franz Jung und eine Stenotypistin in den Büroräumen des „Pressedienstes für Wirtschaftsaufbau“ in der Berliner Lutherstraße. Dass die SA zu diesem Zeitpunkt bereits den Straßenzug abgesperrt hatte, war Schwab und Jung entgangen. Aber Flucht wäre da ohnehin schon nicht mehr möglich gewesen. Dann stürmten „an die zwanzig Gestapo-Beamte mit gezogenen Dienstrevolvern in das Büro, auf einen Feuerkampf bis zum bitteren Ende mit den Verschwörern gefaßt“.

Der Schriftsteller und Ökonom Franz Jung erinnert sich an die Ereignisse des 17. November 1936 in seiner Autobiografie „Der Weg nach unten“ aus dem Jahr 1961. Es ist das einzige Dokument, das die Umstände der Verhaftung des aus Stuttgart stammenden Widerstandkämpfers Alexander Schwab bis ins Detail rekonstruiert. Der Journalist Schwab, der am 5. Juli 1887 in Stuttgart als Sohn des württembergischen Opernkapellmeisters und Chordirektors Karl Julius Schwab geboren wurde, war 1920 Gründungsmitglied der Kommunistischen Arbeiterpartei (KAPD). Große Aufmerksamkeit erlangte er, als er kurze Zeit später beim 3. Weltkongress der Dritten Internationale in Moskau die Westeuropa-Politik Lenins „als bestimmt von den Machtinteressen der sowjetischen Staatsführung“ geißelte und forderte, dass die internationale Arbeiterbewegung dieser Politik entschlossen entgegentrete. Als linker Architekturkritiker stand er in diesen Jahren auch dem Dessauer Bauhaus nahe. Die dort entwickelten Theorien der Architektur als „soziale Funktion“ seien direkt oder indirekt auf Schwab zurückgegangen, schrieb der Kunstpädagoge Diethart Kerbs in einem Aufsatz über Schwab. Unter dem Pseudonym Albrecht Sigrist versammelte er seine Ideen zum modernen Städtebau 1930 in einem Band mit dem Titel „Das Buch vom Bauen. Wohnungsnot. Neue Technik, Neue Baukunst, Städtebau“. Das radikalste Werk zu den Grundproblemen des Bauens und Wohnens in der Weimarer Republik sei nicht nur bald vergriffen, sondern auch verboten gewesen, schreibt Kerbs. Aus dem Büro des „Pressedienstes für Wirtschaftsaufbau“, das Jung und Schwab 1934 von Heinrich Gärtner übernommen hatten und aus dem vordergründig Wirtschaftsmeldungen an Zeitungen verkauft wurden, entwickelte sich in der Folge das Verbindungsbüro der um 1931 gegründeten Widerstandsgruppe Rote Kämpfer.

Konspirative Rundbriefe

Deren „Verbrechen“ gegenüber dem NS-Regime bestand im Wesentlichen darin, „junge Leute für die Zeit nach dem Zusammenbruch des Faschismus zu sammeln und zu schulen“, schreibt Kerbs. Tatsächlich wurden aus der Lutherstraße konspirative Rundbriefe an die einzelnen Zellen der Gruppe in ganz Deutschland versendet, unter anderem auch an eine in Bad Cannstatt. Von der Lutherstraße in Berlin aus organisierten Schwab und seine Mitstreiter in der Folge den weiteren Aufbau der Organisation, nachdem er Auswanderungspläne nach Mexiko für sich selbst verworfen hatte.

Schwabs Verhaftung am 17. November 1936 war eine Welle an Festnahmen von Mitgliedern der Roten Kämpfer im Ruhrgebiet vorausgegangen, die verhört und gefoltert worden waren. Nach den Verhaftungen übernahm Alexander Schwab die „volle Verantwortung für die Leitung der Organisation“, schreibt Kerbs, um möglichst viele Mitglieder der Widerstandsgruppe zu entlasten. „Die Polizei hatte Listen mit Hunderten von Namen, alle Zusammenkünfte waren aufgezeichnet, alle Reisen“, wird Franz Jung später notieren.

Die Hauptverhandlung gegen Alexander Schwab und fünf weitere Köpfe der Roten Kämpfer fand vom 28. bis 30 Oktober 1937 vor dem Volksgerichtshof in Berlin statt. Schwab, als Hauptangeklagter, wurde zu acht Jahren Zuchthaus verurteilt. „Alle Versuche, durch Zeugen, die dem Regime nahestanden oder nahe zu stehen vorgaben, den Charakter der Rundbriefe als harmlos hinzustellen, sind fehlgeschlagen. Im Gegenteil, sie haben seine Gefährlichkeit für das Regime nur unterstrichen“, resümierte Jung in seinem Rückblick. Jung selbst, den Schwab entlasten konnte, setzte sich nach kurzer Haft nach Prag ab. Alexander Schwab verbüßte seine Haftstrafe unter schweren körperlichen Misshandlungen im KZ Börgermoor und in den Zuchthäusern Sonnenburg, Brandenburg und Zwickau. Aus der Haft schreibt er 1939 seinem Sohn: „Gib dich nie auf, nie und in keiner Lage.“ Am 12. November 1943, vor 75 Jahren, stirbt Alexander Schwab in Zuchthaushaft, angeblich an den Folgen einer Lungenentzündung. In seiner Geburtsstadt Stuttgart, die er schon als Kind verlassen hatte, erinnert heute nichts an diesen vergessenen Widerstandskämpfer.