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Kroatien verliert - und die Kroaten im Südwesten feiern. Für viele ist schon der Einzug ins Finale ein Grund zur Freude. Andere nutzen den Anlass für weniger harmlose Botschaften.

Stuttgart (dpa/lsw)2:1 für Kroatien sollte es ausgehen - da waren sich viele kroatische Fans einig, die an diesem Sonntag auf die Theodor-Heuss-Straße in Stuttgart gekommen waren. Sie wollten «ihr» Finale verfolgen. «Frankreich wird nicht ohne Tor auskommen, aber wir schießen zwei», sagt Stjepan Posavec, der wie viele mit seiner ganzen Familie vor Ort ist. Die von Stuttgartern liebevoll «Theo» genannte Hauptverkehrsstraße ist auf mehreren Hundert Metern für Autos gesperrt gewesen. In dieser Zeit versinkt sie im rot-weißen Karo von Flaggen und Trikots. Die Polizei spricht von 7000 Fans im Ortskern.

Gut zwei Stunden später sind in Moskau doppelt so viele Tore gefallen, wie zuvor von den Kroaten getippt - die Partie endet 4:2, Frankreich wird Weltmeister. Auf der «Theo» geht dieser Fakt zunächst im rot-blauen Pyronebel unter. Das erste Mal im Finale einer Weltmeisterschaft - für viele ist das Triumph genug. Jubel, Klatschen, kroatische Schlachtrufe. Ein goldener WM-Pokal aus Gummi macht die Runde. «Wir machen Party, egal, was passiert», ruft ein geschminkter Fan. Euphorie statt Enttäuschung. Die wirklich Traurigen unter den Anwesenden verlassen leise die Fanmeile.

Doch der Freudentaumel, der sich hier seinen Bann bricht, hat Schattenseiten: Einige der Feiernden fallen durch rechte Symbolik, gestreckte Arme und «Za Dom - Spremni»-Rufe auf. Das heißt so viel wie «Für die Heimat - bereit», eine Parole des faschistischen Ustascha-Regimes. In diesem Kreis eskaliert die Feierei schließlich kurzzeitig: Gewaltbereite Kroaten liefern sich ein Gefecht mit der Polizei, friedliche Fans stellen sich vor die Beamten. Insgesamt gibt es 55 Festnahmen. Man habe etliche gewaltbereite Fans vorläufig festgenommen, die die Weisungen der Polizei nicht befolgt und Pyrotechnik eingesetzt hätten, sagte eine Polizeisprecherin am Sonntagabend. Fünf Polizisten erlitten bei dem Einsatz leichte Blessuren.

Diejenigen, die an diesem 15. Juli wirklich Grund zum Feiern haben, sind kaum zu sehen. 400 bis 500 Franzosen sollen laut Polizei ihre Mannschaft in der Stuttgarter Innenstadt bejubelt haben. Ihre Trikolore aus Bleu-Blanc-Rouge geht jedoch unter in den kroatischen Nationalfarben. Dass die Südosteuropäer überwiegen, ist kein Zufall: 109.500 Baden-Württemberger sind kroatische Staatsbürger - das sind mehr als in jedem anderen Bundesland. Franzosen gibt es im Südwesten lediglich knapp 30.000.

Nach dem torreichen Finale strömt das rot-weiße Meer wieder in alle Richtungen. Die Traurigen sitzen in Straßencafés oder am Bürgersteig und versuchen, ihren geplatzten Traum vom Titel zu verarbeiten. Der kleine Mateo, der mit seiner Familie unterwegs ist, setzt sich seine Brille mit kroatisch beflaggten Gläsern auf die Nase. Die Niederlage nimmt er gelassen hin - zu seinen Lebzeiten werden für die Kroaten wohl noch andere Chancen auf die Weltmeisterschaft kommen.