Die Grabstätte von Stadtbaurat Adolf Wolff und seiner Familie, die sich auf dem Pragfriedhof befindet, gehört zu den erhaltenswerten Gräbern in Stuttgart. Foto: Baldermann Quelle: Unbekannt

Von Elke Hauptmann

Stuttgart - Späte Ehre für längst verstorbene Prominenz: Die Stadt will die Liste erhaltenswerter Grabstätten um weitere 147 verlängern. Bekannte Namen sind darunter, aber auch repräsentative Anlagen.

Seit 1992 kümmert sich die Verwaltung um erhaltenswerte Gräber auf den 42 städtischen Friedhöfen. „Erhaltenswert sind sie aufgrund der Verdienste des Verstorbenen oder aus gestalterischen Gründen“, erklärt Maurus Baldermann vom Garten-, Friedhofs- und Forstamt, das zusammen mit dem Kulturamt besondere Grabstätten in ein Verzeichnis aufnimmt. Waren es anfangs 234 Gräber, sind mittlerweile schon 690 Anlagen verschiedenster Epochen darin aufgeführt. Die meisten gibt es übrigens auf dem Pragfriedhof (341) sowie auf dem Waldfriedhof (86). Die 1400 Gräber des Hoppenlaufriedhofs sind ein Sonderfall - die gesamte Anlage steht unter Denkmalschutz.

Zu etwa zwei Dritteln, so Baldermann, handle es sich bei den erhaltenswerten Grabstätten um kulturgeschichtlich bedeutsame Anlagen. Um Jugendstil-Grabmale, Gründerzeitdenkmale, Monumente und Familiengruften zum Beispiel. Erhaltenswert seien Gräber aber auch aufgrund stilprägender Elemente wie Obelisken, Mamortafeln, Bronzeplaketten und Statuen. Der Steinmetz und Bildhauermeister sucht erhaltenswerte Gräber für die Liste nach ihrem gestalterischen Wert aus. Grabstätten von Personen werden überwiegend vom Stadtarchiv vorgeschlagen.

Hinweise aus der Bevölkerung seien dabei willkommen - die Bedeutung so mancher Lokalgröße vermag man im Amt nicht auf den ersten Blick einzuschätzen. Es komme allerdings vor, dass die Mitarbeiter, die mit der Grabrückgabe betraut sind, einen Namen erkennen und eine Prüfung beantragen. Eine Chance, in die Liste aufgenommen zu werden, haben die Gräber aber erst dann, wenn die Familien sie zurückgegeben haben, betont der Experte. Das erklärt, warum zum Beispiel das Grab von Künstler Oskar Schlemmer auf dem Waldfriedhof noch nicht im Verzeichnis auftaucht.

Alle sieben bis zehn Jahre wird die Liste überarbeitet - jetzt sollen 147 neue Gräber hinzukommen. Zum Beispiel jenes von Konstrukteur Albert Hirth und von Fernsehregisseur Michael Pfleghar auf dem Waldfriedhof. Aber auch das von Stadtpfarrer Herman Umfrid, nach dem eine Straße im Stuttgarter Norden benannt ist, auf dem Pragfriedhof; jenes von Edmund Rau, dem früheren Württembergischen Staatspräsidenten auf dem Fangelsbachfriedhof, und das von Wilhelm Geiger, der Oberbürgermeister von Feuerbach war, ehe der Ort eingemeindet wurde.

Ob ein Grab erhaltenswert ist, darüber entscheidet letztendlich der Gemeinderat. „Ist das der Fall, geht das Grab in den Besitz der Stadt über, wenn die Inhaber das Nutzungsrecht nach Ablauf der Frist nicht verlängern. „Sie werden vorher aber von uns gefragt, was mit dem Grab geschehen soll“, erklärt Baldermann. Sie könnten es durchaus räumen lassen - „die Entscheidung liegt allein bei den Angehörigen.“ Gelegentlich, bedauert Baldermann, gehe schon mal ein als wertvoll eingestuftes Objekt verloren - etwa wenn die Familie eine Skulptur in den heimischen Garten versetzen lasse. Aber dass sich jemand gegen den Erhalt eines Grabes durch die Stadt ausgesprochen hätten, sei ihm nicht bekannt.

Mit der Aufnahme in das Verzeichnis geht die Pflicht zum Erhalt der Grabstätte an die Stadt über - zunächst für 30 Jahre, dann wird neu bewertet. Für die Grabpflege und die Sicherung der Grabsteine haben die Friedhofsgärtner jährlich rund 35 000 Euro pro Jahr zur Verfügung. Mit den 147 neuen Gräbern sind künftig 10 000 Euro mehr erforderlich.

Welche Berühmtheiten wo bestattet sind, steht im „Stuttgarter Friedhofsführer“ von Werner Koch und Christopher Koch, Silberburg-Verlag, 14,90 Euro. Das Garten-, Friedhofs- und Forstamt hat einen „Friedhofswegweiser“ erstellt, in dem auf Gräber bekannter Persönlichkeiten hingewiesen wird. Er ist kostenlos an der Rathaus-Infothek erhältlich.

23 Ehrengräber für Verdiente Persönlichkeiten

Richtlinie: In Stuttgart haben in den letzten 150 Jahren gerade mal 23 Persönlichkeiten ein Ehrengrab erhalten. Wem diese Würdigung zuteil wird, ist in einer städtischen Richtlinie von 1985 klar geregelt: Neben verstorbenen Ehrenbürgern der Landeshauptstadt können auch bedeutende Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, „die in Stuttgart geboren wurden, während ihres Lebens hier gewirkt haben oder die der Landeshauptstadt Stuttgart in besonderer Weise verbunden waren“, in Frage kommen. Das können neben Politikern etwa Künstler oder Unternehmer sein. In der Regel ist ein Ehrengrab unbefristet, kann aber nach 30 Jahren neu bewertet werden. Denn mitunter ändert sich die historische Einordnung einer Persönlichkeit. Die Pflege des Ehrengrabes übernimmt die Stadt, sie kommt zum Beispiel für das Bereitstellen von Gebinden oder Blumenschalen an Geburts- und Todestagen auf.

Berühmtheiten: Die meisten, nämlich neun Ehrengräber, befinden sich auf dem Waldfriedhof in Degerloch. Die früheren Stuttgarter Oberbürgermeister Karl Lautenschlager (1868-1952) und Arnulf Klett (1905-1974) haben hier ihre letzte Ruhestätte gefunden, aber auch der erste Bundespräsident Theodor Heuss (1884-1963) und der einstige Ministerpräsident Gebhard Müller (1900-1990). Auf dem Pragfriedhof gibt es acht Ehrengräber, unter anderem für den Konstrukteur Graf Ferdinand von Zeppelin (1838-1917) und den früheren Ersten Bürgermeister Stuttgarts, Joseph Hirn (1898-1971). Auch das älteste noch bestehende Ehrengrab in Stuttgart, jenes von Dichter Eduard Mörike (1804-1875), befindet sich dort. Das zweitälteste Ehrengrab, das von Dichter Ferdinand Freiligrath (1810-1876), befindet sich auf dem Uffkirchhof in Bad Cannstatt. Dort wurde auch der Autopionier Gottlieb Daimler beigesetzt. Zuletzt erhielten der frühere Oberbürgermeister Manfred Rommel auf dem Ostfilderfriedhof in Sillenbuch (2013) sowie der frühere baden-württembergische Ministerpräsident Lothar Späth auf dem Friedhof in Möhringen (2016) ein Ehrengrab.