Auch bei der Grundsteinlegung der Klinik erhielt Baumann zahlreiche Schals - in Nepal ein Zeichen des Dankes. Quelle: Unbekannt

Von Sebastian Steegmüller

Stuttgart - Propellerlärm legt sich über das kleine Himalaja-Dorf Phakding. Schon lange bevor der gelbe Helikopter zu sehen ist, können ihn die Bewohner durch das Tal hören. Gespannt warten sie, bis er in Sichtweite kommt. Und dann heißt es Daumen drücken, dass die erste Landung auf dem Steinplateau des Himalayan Sherpa Hospitals klappt. Auch der Stuttgarter Unfallchirurg Matthias Baumann ist im Everest-Gebiet vor Ort. Er hält kurz die Luft an, als die Kufen des Hubschraubers aufsetzen. Der Untergrund knirscht zwar ein wenig, hält aber. Die Einheimischen und der Mediziner jubeln und fallen sich in die Arme.

Die Plattform hat den Härtetest bestanden. Für einen kurzen Moment sind die Strapazen und das Leid, die die Erdbeben Ende April und Anfang Mai 2015 nach Nepal brachten, vergessen. Fast 9000 Menschen sind damals um Leben gekommen, 22 300 wurden verletzt und mehr als eine Millionen Gebäude zerstört. Mehr als zwei Jahre sind seitdem vergangen, die Spuren der Naturkatstrophe sind noch immer an vielen Ecken sichtbar, der Mediziner, der in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Tübingen arbeitet, war damals als Ersthelfer vor Ort. Im Akkord operierte er Knochenbrüche, behandelte Verletzte teilweise auf offener Straße zwischen den Trümmern der Stadt. Nicht das erste Mal, dass der Unfallchirurg in Nepal im Einsatz war. Schon im Jahr 2014 war er als Expeditionsarzt bei der Lawinenkatastrophe am Mount Everest vor Ort und organisierte die medizinische Erstversorgung der Lawinenopfer.

Gelder für Sherpa-Kinder

Zwei Ereignisse, das Unglück und das Erdbeben, die den 45-Jährigen prägten. Als leidenschaftlicher Bergsteiger ist er dem Land ohnehin stark verbunden, darüber hinaus leben mittlerweile viele Freunde und Bekannte in der Bergregion. Ihm war klar, dass er nicht einfach nur einen Betrag X spenden wollte, sondern selbst vor Ort aktiv werden muss. „Zumal oft das Geld nicht dort ankommt, wo es wirklich benötigt wird.“

Zunächst sammelte er 100 000 Euro für die Kinder der verstorbenen Sherpas, anschließend wurden drei staatliche Schulen und ein Gemeindehaus dank seines Engagements für rund 400 000 Euro wieder aufgebaut. Im Gegensatz zu den Privathäusern, die meist nur aus Lehm bestehen und keinen ausreichenden Schutz vor Erdbeben bieten, wird das Mauerwerk, das aus Zement und Steinen besteht, mit Betonpfeilern verstärkt. „Die Behörden sind nach dem Unglück etwas strenger geworden, Vorgaben wie bei uns gibt es jedoch nicht.“ Mit großem Eifer haben die Dorfbewohner beim Bau der Schulen geholfen. „50 Leute haben teilweise gleichzeitig Steine in die passende Form geklopft, das erinnerte mich ein bisschen an das alte Ägypten.“

Sie hatten jedoch einen guten Grund, Gas zu geben: „Die Schulen stellen für Kinder die einzige Chance dar, im Leben etwas zu erreichen. Viele Menschen in Nepal sind Analphabeten, klassische Lehrberufe wie bei uns gibt es nicht.“ Wer etwas Englisch sprechen kann und die Grundlagen der Mathematik beherrscht, könne im Tourismus Fuß fassen. „Und beispielsweise einen Laden betreiben.“ Auch der Gang auf ein weiterführendes College in Kathmandu oder sogar der Besuch einer Hochschule seien denkbar.

Dementsprechend dankbar sind die Kinder, Eltern und auch Lehrer dem Mediziner für sein Engagement. Ihren Dank bringen sie zum Ausdruck, in dem sie ihm einen Kata-Schal umhängen. „Am Ende hatte ich mehr als 100 davon“, so Baumann, dem die Geschenke schon etwas zu viel des Guten sind. „Ich helfe gerne und es ist eine Selbstverständlichkeit für mich von unserem Reichtum, den armen Völkern dieser Erde etwas abzugeben und sie zu unterstützen.“

Auch bei der Grundsteinlegung für das Himalayan Sherpa Hospital hat Baumann wieder mehr als 100 Schals überreicht bekommen. Und das, obwohl noch rund eineinhalb Jahre vergehen werden, bis der erste Patient dort behandelt wird. „Die Eröffnung ist im Frühjahr 2019 geplant.“ Mit der Fertigstellung des Hubschrauberlandeplatzes sei ein großer Schritt zum Bau des kleinen Bergkrankenhauses gemacht worden. Schließlich war das Dorf ansonsten quasi von der Außenwelt abgeschnitten - Straßen gibt es nicht, Material und später auch Geräte werden über die Luft angeliefert. Über zehn Betten, eine Ambulanz mit Röntgengerät und einen OP-Saal, der wohl hauptsächlich für Geburten genutzt wird, soll die Klinik, die 2500 Meter über dem Meeresspielgel liegt, verfügen. Besonders schwere Fälle werden weiterhin nach Kathmandu geflogen.

Auch Touristen werden behandelt

Natürlich hat es sich der Unfallchirurg auch bei seiner letzten Reise nicht nehmen lassen, im kleinen Rahmen Behandlungen durchzuführen. „Einige Patienten wurden mir vorgestellt, um die habe ich mich natürlich gekümmert. Wenn das Krankenhaus fertig ist, können wir dann den Umfang der Behandlungen deutlich vergrößern.“ Verarztet werden sollen sowohl Touristen, beispielsweise wenn sie unter der Höhenkrankheit leiden, als auch Einheimische. Im Gegensatz zu Bergsteigern aus aller Welt, die eine normale Rechnung bekommen werden, müssen die Nepalesen jedoch nur einen Minimalbetrag bezahlen. „Er ist notwendig, sonst holen sie sich wegen jeder Kleinigkeit Medikamente.“ Noch ist das Krankenhaus, das eine halbe Millionen Euro kosten wird, noch nicht komplett finanziert. „Es fehlen rund 200 000 Euro“, sagt Baumann, der fleißig Spenden sammelt.

Die „Sherpa Nepalhilfe“ ist ein eingetragener Verein. Spenden sind an folgendes Konto möglich: Volksbank Tübingen, IBAN DE30 6419 0110 0309 8640 03, BIC GENODES1TUE, Kennwort: „Nepalhilfe“. Weitere Infos unter www.sherpanepalhilfe.de.