Foto: DPA - Silas Stein/Symbol

Wer einen Anruf von Betrügern erhält, soll am besten auflegen. Die Polizei befürchtet, dass es bei der Deliktsart eine hohe Dunkelziffer gibt – auch bei den Taten mit erfolgter Geldübergabe.

StuttgartDie Nachricht ist nur bedingt eine gute: „Wir haben nicht ganz den Rekordmonat Juni erreicht. Aber es sind weit mehr als 500 Anrufe von falschen Polizisten gewesen“, sagt die Polizeisprecherin Monika Ackermann mit Blick auf Betrüger, die sich in Telefonaten mit betagten Senioren als Ordnungshüter ausgeben, um an deren Geld zu kommen. Darunter waren auch drei erfolgreiche Taten – in einem Fall mit einer erbeuteten Summe von mehreren Hunderttausend Euro. Damit dürfte es einer der Monate mit der größten Beute in Stuttgart sein. Damit ist allein im November mehr als ein Fünftel der Schadenssumme des Vorjahres erreicht worden.

Die Masche macht der Polizei nach wie vor Kopfzerbrechen: Anrufer behaupten, von der Polizei zu sein. Dann machen sie ihren überwiegend älteren Opfern Angst. Einbrecher oder Räuber seien in deren Wohngegend unterwegs, Geld und Wertsachen zuhause nicht mehr sicher. Die Anrufer bieten vermeintliche Hilfe an. Sie behaupten, sie würden das Hab und Gut der Senioren in Sicherheit bringen. Nimmt ihnen das ein Opfer ab, sind sie damit schnell über alle Berge.

Den seltenen Fall einer Festnahme meldete das Polizeipräsidium Ulm am Montag: Bei einer Kontrolle an der Autobahn bei Aschaffenburg fiel ein Mietwagen mit zwei 24 Jahre alten Männern auf. Sie hatten Drogen dabei und einen Umschlag mit viel Geld darin. Die Beamten überprüften die Scheine. Es stellte sich aufgrund der Nummern heraus, dass sie von einer Bank im Kreis Göppingen abgehoben worden waren. Die Männer werden nun verdächtigt, das Geld vergangene Woche einer Seniorin in Amstetten (Kreis Göppingen) abgenommen zu haben. Es werde geprüft, ob sie noch für weitere Taten in Frage kommen. Sie kamen in Haft. In der Nähe des Festnahmeortes, in Schweinfurt, sei am Tag vor der Festnahme eine ähnliche Tat begangen worden.

Strenge Aufgabenteilung herrscht in der betrügerischen Branche der falschen Polizeibeamten: Am Telefon, meist in sicherer Entfernung in der Türkei, sitzt der sogenannte Keiler, der potenzielle Opfer anruft. Ihm nachgeschaltet ist der Logistiker, der die Abholteams durch die Gegend schickt. Danach kommen die Fahrer und die Boten, die an Ort und Stelle dafür sorgen, dass die Barschaften und Wertsachen der Betrogenen schnell und unauffällig wegkommen. Aufgrund dieser Aufteilung ist es für die Polizei schwierig, den Verbrechern das Handwerk zu legen. Gefasst werden meist nur die Boten, die kleinsten Rädchen im Getriebe. „Das Ganze ist wirklich aufgebaut wie ein Unternehmen“, sagt Polizeisprecherin Ackermann.

Neu sei in den zurückliegenden Wochen, dass Stuttgart zu einer Art Dreh- und Angelpunkt für die umliegenden Städte werde: „Auch wenn das Opfer im Speckgürtel wohnt, soll die Übergabe in Stuttgart laufen“, sagt Ackermann. Ein Grund dafür sei etwa, dass die Täter rasch reagieren müssten, wenn ein Opfer zur Übergabe bereit sei: Wenn die Abholer in Stuttgart unterwegs seien, könnten sie rasch an den Übergabepunkt des Geldes und der Wertsachen dirigiert werden.

Was den Beamten des Dezernats für Organisierte Kriminalität zusätzlich zu schaffen macht, ist die Flexibilität der Täter: Sie wechseln ihre Strategie. Das mache es für die Angerufenen noch schwieriger, richtig zu reagieren. Denn die Betrüger bauen – wie bisher auch schon – einen enormen psychischen Druck auf. Das haben sie nun noch verfeinert. Sie machen ihren Opfern ein schlechtes Gewissen und behaupten, sie würden Ermittlungen behindern. „Die erzählen dann, dass man ein komplexes Verfahren gegen die Tätergruppe – etwa die angeblich in der Nachbarschaft lauernden Einbrecher – führe“, so Ackermann. Die Drohung: „Wenn die angeblichen Ermittlungen platzten, müsse man dafür haften.“ Eine andere neue Variante sei eine Verknüpfung mit der Enkeltrickmasche. Dabei rufe zunächst jemand an und gebe sich klassisch als Verwandter in Not aus. Durchschaue der Anrufer das und lege auf, so rufe als nächstes jemand an, der behaupte, Polizist zu sein. „Dann heißt es, die Wertsachen seien aufgrund des versuchten Enkeltricks nicht mehr sicher und müssten von der Polizei abgeholt werden“, schildert Ackermann.

Die Polizei rät davon ab, bei der Masche den Helden spielen zu wollen: Wer den Tätern das Handwerk legen wolle, solle auflegen. Hilfreicher als die Betrüger in die Falle zu locken sei es, wenn aufmerksame Nachbarn auf ungewöhnliche Vorkommnisse achten: „Ein Fall konnte geklärt werden, weil ein Zeuge sich einen auffälligen Wagen gemerkt hatte“, sagt Ackermann. Der Anwohner habe gemerkt, dass das Auto mit auswärtigem Kennzeichen dort fremd war, und habe dies der Polizei gemeldet. Die fasste die Täter dann in Bayern.