Tommy Haas setzte sich gegen Pierre-Hugues Herbert aus Frankreich durch. Foto: Daniel Maurer Foto: DPA - Daniel Maurer

Von Karla Schairer

Stuttgart – Roger Federer sagte einmal über seinen Freund und heutigen Achtelfinal-Gegner Tommy Haas: „Er hatte das größte Pech aller Spieler-Generationen.“ Seit 21 Jahren spielt Haas schon Profi-Tennis und genauso lange hat er mit Verletzungen zu kämpfen. Und fast seit eben dieser Zeit feiert er regelmäßig nach überstandener Verletzung ein Comeback. In diesem Jahr soll aber definitiv Schluss sein. Sein letztes Comeback. Und dieses Mal will er selbstbestimmt und nicht mit einer Verletzung von der Tennis-Bühne abtreten. 2017 ist für ihn „die Chance, mit sich selbst ins Reine zu kommen“.
Dank einer Wildcard ist der 39-Jährige, der wohl genau so viele OP-Tische wie Tennisplätze kennt, am Start des mit 701 979 Euro dotierten Weissenhof-Turniers. Es ist eine Station auf seiner Abschiedstournee. Bei seiner Erstrundenpartie schlug er mit 6:3, 4:6, 7:5 den 13 Jahre jüngeren Franzosen Pierre-Hugues Herbert. Haas tat sich besonders im dritten Satz schwer. Morgen trifft er um 15.30 Uhr auf Federer. „Es ist ein spezielles Spiel für mich. Er ist in meinen Augen der beste Spieler aller Zeiten, auf jeden Fall auf Rasen“, sagte Haas. Dass die beiden eng befreundet sind, auch ihre Familien, das versuche er auf dem Platz „auszublocken“.
Der Abschied auf dem Stuttgarter Rasen ist für Haas auch ein kleines Familienfest: Seine Schwester, die Schwiegermutter, Nichten und Neffen und nicht zuletzt seine sechseinhalb Jahre alte Tochter Valentina, für die er so lange als Profi durchgehalten hat, sind da. „Meine Tochter zu sehen, wie sie mich anfeuert, das sind die besonderen Momente, an die sie sich vielleicht erinnert“, sagte Haas.
Denn seine großen Zeiten kennt Valentina nur aus Erzählungen. 1999 gelang dem jungen Haas der Durchbruch: Er stand bei den Australian Open erstmals im Halbfinale eines Grand Slams, holte seinen ersten ATP-Titel in Memphis und war erstmals unter den Top Ten. Da hatte er schon diverse Bänderrisse und eine Rückenverletzung hinter sich. 2000 gewann er bei den Olympischen Spielen die Silbermedaille (und ein Nerv klemmte sich am Rücken ein), zwei Jahre später gelang ihm wieder der Einzug ins Halbfinale bei den Australian Open und seine bis daher höchste Platzierung als Nummer zwei der Welt.

Schulter, Hüfte, Ellenbogen, Fuß

2003 fiel Haas wegen Schulterproblemen komplett aus, zwei Operationen musst er über sich ergehen lassen – die ersten beiden von insgesamt vieren. Dann: Comeback. Mit einem Rekord, auf den der in Florida lebende Profi gerne verzichtet hätte: Mit 467 Tagen ist es die längste Verletzungspause, nach der es im Männertennis bisher ein Comeback gegeben hat. 2007 stand er im Halbfinale von Melbourne und nach viereinhalb Jahren wieder in den Top Ten der Weltrangliste. Aber 2007 auch gab es auch das: die dritte Schulter-Operation, Pause, Comeback, 2009 Halbfinaleinzug in Wimbledon und wieder in den Top 20, dann der nächste Rückschlag ein Jahr später: Hüft- und Ellenbogen-Operation. 2015 – man kennt es allmählich – das nächste Comeback, dieses Mal auf dem Weissenhof. Haas gewann nach mehr als einem Jahr Pause die Auftaktrunde, flog dann jedoch aus dem Turnier. Dann wollte der Fuß operiert werden, wieder eine Pause und wieder ein Comeback, dieses Mal aber das letzte: Kurz vor den Australian Open 2017, bei denen er in Runde eins vorzeitig aufgeben musste, verkündete er, dass 2017 sein letztes Jahr wird.
Nach seinem Sieg heute ließ Haas durchblicken, wie sehr ihn die Auf und Abs mitgenommen hatten: „Wenn ich bedenke, was ich in den vergangenen dreieinhalb Jahren alles durchgemacht habe, dann hat sich all die Mühe gelohnt, dann ist alles, was jetzt noch kommt, ein Bonus.“