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Die Stadt will illegale Altkleidersammler ausbremsen und hat vor einem halben Jahr das System umgestellt. Doch jetzt klagen Bürger über überfüllte Container.

StuttgartDer Anblick, den der Anwohner am Stuttgarter Paul-Gerhardt-Platz jeden Tag genießt, ist gewöhnungsbedürftig. Vor dem dortigen Altkleidercontainer stapeln sich die Säcke mit Textilien aller Art. Manches ist herausgefallen und liegt verdreckt auf der Straße. Die Klappe des Behälters ist total verstopft, nichts geht mehr. „Das ist eine ziemliche Sauerei – und das seit Tagen“, sagt der Mann. Nicht nur aus dem Stuttgarter Westen kommt Kritik. Auch in der Innenstadt, in Sillenbuch oder entlang des Neckars wundern sich gutmeinende Spender darüber, dass die Container zuletzt häufig überfüllt gewesen sind. Manch einer wirft die Sachen dann einfach auf den Boden – oder in einen nicht offiziellen Behälter fragwürdigen Ursprungs, dessen Inhalt sicher nicht mit Genehmigung abgeholt wird.

650 illegal auf öffentlichen Flächen abgestellte Sammelcontainer hat die Stadt in den vergangenen Jahren abgebaut und auf eigene Kosten verschrotten lassen. Die schwarzen Schafe in der Branche, die ohne Genehmigung arbeiten, keine Mindestlöhne, Stellgebühren und Steuern zahlen, setzen karitativen und legalen gewerblichen Sammlern mächtig zu. Die Stadt Stuttgart geht seit einiger Zeit massiv gegen sie vor – mit Erfolg: Die Zahl neuer illegaler Container sinkt.

Ein weiterer Schritt soll ihnen jetzt das Geschäft endgültig vermiesen: Im Spätherbst und Winter sind nach und nach auch alle genehmigten Container verschwunden und durch einheitliche orange-graue städtische Modelle ersetzt worden, die den Altglascontainern ähneln. So sollen Verbraucher noch besser legale von illegalen Behältern unterscheiden können. Zeitgleich wurde die Zahl von 87 auf heute 170 nahezu verdoppelt. Deutlich mehr Auswahl für die Bürger, aber auch mehr Arbeit bei der Leerung. Da hakt es jetzt offenbar.

Bei der Stadtverwaltung wundert man sich über solche Kritik. „Missstände im Zusammenhang mit der neu organisierten Altkleidersammlung sind uns nicht bekannt“, sagt eine Sprecherin des Eigenbetriebs Abfallwirtschaft Stuttgart (AWS). Es lägen „kaum“ Beschwerden vor. Allerdings ist die Stadt selbst für die Leerung gar nicht zuständig. Das übernehmen die sechs gemeinnützigen Organisationen, die in Stuttgart eine Genehmigung für Sammlungen haben. „An den Modalitäten hat sich nichts geändert. In der Regel werden die Altkleidercontainer einmal wöchentlich geleert“, sagt die AWS-Sprecherin. Welche Organisation für den jeweiligen Behälter zuständig ist, sei an einem Aufkleber zu erkennen. Dort finde sich auch eine Telefonnummer. Ganz so überrascht von der Situation dürfte man bei der Stadt aber eigentlich nicht sein. Im Hintergrund laufen durchaus Gespräche mit den sechs gemeinnützigen Organisationen. Die nennen Gründe für das aktuelle Durcheinander. Der Container am Paul-Gerhardt-Platz etwa liegt wie 49 andere in der Zuständigkeit des Deutschen Roten Kreuzes (DRK). „Wir haben mit der Systemänderung nicht nur die neuen Container, sondern auch andere Standorte als zugewiesen bekommen“, sagt DRK-Sprecher Udo Bangerter. Man habe deshalb bei vielen keine Erfahrung damit, wie sie von den Bürgern angenommen würden. Erst nach und nach stelle sich das heraus. Manche habe man komplett abbauen müssen, weil die Leute nur Müll hineingeworfen hätten, andere funktionierten normal. Und einige wie der im Westen seien so stark frequentiert, dass man selbst mit zwei Leerungen in der Woche nicht hinterherkomme. „Mehr geht aber technisch derzeit nicht. Wir suchen gemeinsam mit der Stadt eine Lösung.“

Allerdings sind die Altkleidercontainer nicht die einzige Stelle, an der es hakt. Auch die Altglasbehälter rücken wieder in den Blickpunkt. Bei denen hatte es um den Jahreswechsel herum massive Probleme gegeben. Zig Flaschen standen da häufig auf dem Boden neben überfüllten Containern, weil der Dienstleister aufgrund erkrankter Mitarbeiter nicht mehr nachkam. Zwischenzeitlich hatte sich die Lage wieder beruhigt. Doch jetzt berichten einzelne Anwohner erneut von überfüllten Behältern. Laut AWS habe man auch davon keine Kenntnis. Nach Angaben der zuständigen Firma gebe es „keine Unregelmäßigkeiten bei der Leerung der Container“. Eines zumindest steht fest: Das Thema Sammelcontainer dürfte die Stadt trotzdem weiterhin beschäftigen.

Hintergrund

Wer in Stuttgart Altkleider spenden will, hat mehrere Möglichkeiten. Er kann das Wertstoffmobil, die Wertstoffhöfe oder Container nutzen. Zudem betreiben karitative Organisationen Kleiderkammern.

Bei Sammelcontainern sollten Spender auf die neuen Behälter der Stadt zugreifen. Sie sind grau-orange und stehen meist neben Altglascontainern. Der Inhalt kommt sechs Organisationen zugute, die mit den Erlösen ihre Arbeit finanzieren. Das sind der Malteser Hilfsdienst, die Aktion Friedensdorf, die Diözese Rottenburg-Stuttgart, der Arbeiter-Samariter-Bund, der Verein Help-World sowie das Deutsche Rote Kreuz. Von Containern, auf denen kein Betreiber oder nur eine Handynummer vermerkt ist, sollten Spender die Finger lassen.

Auch Sammlungen an der Haustür gibt es. Dabei handelt es sich oft um gewerbliche Sammler. Auch hier gilt: Seriöse Organisationen nennen immer ihren Namen und Kontakt.

Abgegeben werden können: gut erhaltene Bekleidung, paarweise gebündelte Schuhe, aber auch Taschen, Decken, Kissen, Handtücher, Gürtel, Bett- und Haushaltswäsche.

Weitere Informationen gibt es unter www.stuttgart.de/altkleider.(jbo)