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Stuttgart – Seniorinnen in der Landeshauptstadt können aufatmen. Die Sonderschichten der Kriminalpolizei haben sich offenbar ausgezahlt: Der Serienräuber, der seit Ende Mai neun brutale Überfälle auf überwiegend ältere Frauen begangenen haben soll, ist geschnappt worden. Gestern legte er ein Teilgeständnis ab

Offiziell suchte die Polizei in den vergangenen Tagen nach einem Unbekannten. Doch schon relativ früh hatten die Ermittler einen Verdächtigen ins Visier genommen. Durch die Auswertung von Überwachungsvideos aus Stadtbahnen konnten sie dem Täter ein Gesicht geben – es zunächst allerdings nicht zuordnen. Das sollte sich am vergangenen Montag gegen 16.45 Uhr ändern. Eben zu dieser Uhrzeit entdeckten Beamte den Gesuchten in der Klett-Passage und nahmen die Observierung auf. Sie folgten ihm in eine Stadtbahn, mit der er in den Stuttgarter Westen fuhr. Als er sich in der Schwab-straße offenbar nach einem neuen Opfer umschaute, schritten die verdeckten Ermittler ein.
Gegen 17 Uhr klickten schließlich die Handschellen. Der Festgenommene: ein circa 1,65 Meter großer Mann mit schlanker Figur und dunklem Teint. Genau diese Beschreibung hatten auch zahlreiche Opfer, die in den vergangenen Tagen brutal ausgeraubt wurden, gegenüber den ermittelnden Beamten zu Protokoll gegeben. Unter anderem wurde am Dienstag, 6. Juni, eine 91 Jahre alte Frau vor ihrer Haustür in der Rotenbergstraße in Stuttgart-Ost am Genick gepackt, gegen eine Wand gedrückt und anschließend zu Boden geworfen – nur um an ihre Handtasche zu gelangen. Am Freitagmorgen, 2. Juni, soll der Tatverdächtige noch dreister vorgegangen sein und eine 80 Jahre alte Frau in der Sonnenbergstraße eine Treppe hinuntergestoßen haben. Dieses Mal war ihre Geldbörse das Ziel des Mannes. Zuletzt schlug er offenbar am Sonntagnachmittag in Botnang zu. Nachdem er eine 88-Jährige in ein Gebüsch geschubst hatte, riss er ihr zwei Ketten vom Hals.
Auch der Kriminalpolizei ist die brutale Vorgehensweise und die Häufung der Taten nicht entgangen. Um den Mann schnell zu fassen, richtete das Fachdezernat Raub eine Ermittlungsgruppe unter dem Namen „Zwerg“ ein. Zur Fahndung waren bis zu 50 Beamte im Einsatz.
Bei der Durchsuchung des Tatverdächtigen fanden die Kriminalpolizisten einen Schlüssel für ein Schließfach im Hauptbahnhof. Darin wurden unter anderem Bekleidung, die der Tatverdächtige wohl bei einigen Überfällen getragen hatte, und Teile der Beute gelagert. Weil der Mann als Tourist aus Bulgarien nach Deutschland eingereist ist und in Stuttgart über keinen festen Wohnsitz verfügt, suchten die Ermittler auch nach einem Schlüssel oder einer Zugangskarte für ein Hotelzimmer. Ihre Hoffnung war, dort weiteres Diebesgut sicherstellen zu können. „Wir hatten jedoch bislang keinen Erfolg“, sagte ein Sprecher gestern. Wo der Mann, der bislang nicht polizeibekannt gewesen ist, letztlich übernachtet hat, sei nicht bekannt.
Der Tatverdächtige räumte die Vorwürfe nur teilweise ein. Von dem Überfall auf eine 85-jährige Rollatorfahrerin, der eine Halskette und die Handtasche geraubt wurden, wollte er beispielsweise nichts wissen. Gibt es einen zweiten Täter oder ist der Mann einfach nur gerissen? Anzunehmen ist, dass er nur die Delikte gestanden hat, die ihm auch anhand der sichergestellten Beute nachgewiesen werden können. Die Staatsanwaltschaft hält den Mann jedoch in allen neun Fällen für dringend tatverdächtig.
Welche Strafe ihn erwartet, hängt indes von der Schwere der Taten ab. „Wir sind erst am Anfang unserer Ermittlungen“ sagte Staatsanwalt Jan Holzner. Bei schwerem Raub drohen ihm bis zu sieben Jahre Haft. Werden die Taten nur als einfacher Raub gewertet, müsse er für mindestens ein Jahr hinter Gitter.