Im Schwanenplatztunnel ist ein Spurwechsel unmöglich. Foto: oh - oh

Die Stadt braucht zum wiederholten Mal zusätzliche Rettungswagen, um die gesetzlichen Vorschriften einhalten zu können. Das liegt an den wachsenden Einsatzzahlen – laut den Rettern aber auch an den vielen Staus und Baustellen. Jetzt sollen die Planer helfen.

StuttgartDie Rettungswagenbesatzung ist mit Blaulicht und Martinshorn unterwegs. Es geht zu einem Einsatz. Der Wagen brettert durch die Innenstadt – bis zum Schwanenplatztunnel. Dort staut sich der Verkehr auf der Spur in Richtung Esslingen. Die Besatzung zieht nach links, wo es flüssiger läuft, und fährt an der Schlange vorbei. Vorne will man wieder einscheren – und muss schnell feststellen, dass wegen einer Baustelle die Spuren mit Betonwänden voneinander getrennt sind. Keine Chance für die Einsatzkräfte, die Fahrbahn zu wechseln.

Es ist nur ein Beispiel von vielen, das Ralph Schuster, der Stuttgarter Rettungsdienstleiter des Deutschen Roten Kreuzes (DRK), und der Sprecher Udo Bangerter zeigen. Fotos von diversen Verkehrssituationen liegen auf dem Tisch. „Wir bekommen in letzter Zeit eine Vielzahl von Erfahrungsberichten unserer Mitarbeiter“, sagt Schuster. Immer geht es um dasselbe: An zahlreichen Stellen in der Stadt kommen die Einsatzkräfte im Notfall nicht mehr durch. Weil Autofahrer keine Rettungsgasse bilden oder gar nicht bilden können, weil der Platz fehlt. Weil Spuren in Baustellen voneinander getrennt sind. Weil Poller oder Betonwände zwischen Fahrbahn und Gehweg stehen. Weil Stadtbahnschienen erhöht sind und kein Ausweichen ermöglichen. „Das Hauptproblem sind die beiden Bundesstraßen, die sich durch die Innenstadt ziehen“, weiß Schuster. Aber auch direkt vor der Haustür der Hauptrettungswache an der Neckarstraße beginnen die Probleme. Während in einer Richtung durch einen Radstreifen Platz genug da ist, ist der Verkehr auf der anderen Seite zwischen Stadtbahn und parkenden Autos eingezwängt. Steht man dort, gibt es keinen Ausweg.

Tag des Notrufs

„Generell finden wir deshalb Radstreifen und Busspuren sehr gut“, sagt Schuster. Doch beim DRK glaubt man, dass vor allem die Baustelleneinrichtung durch die Stadt besser sein könnte. Deshalb hat man das Stadtplanungsamt zum Gespräch gebeten. Es soll in nächster Zeit stattfinden. „Es geht dabei darum, bei den Planern mehr Verständnis zu schaffen“, sagt Feuerwehrchef Frank Knödler, der als Stadtdirektor für den Rettungsdienst zuständig ist. Die Feuerwehr selbst hat noch ein anderes Problemfeld ausgemacht: „Wir haben vor allem mit den abendlichen Falschparkern in der Innenstadt zu tun. Da kommt man oft nicht mehr durch.“

An diesem Montag ist der Europäische Tag des Notrufs 112. Und in Stuttgart haben die Retter schon wieder mit großen Herausforderungen zu kämpfen. Denn das Verkehrsproblem, das sich zuletzt sehr verschlechtert habe, sehen sie als einen der Gründe dafür, dass die gesetzliche Hilfsfrist, binnen der Notarzt und Rettungswagen am Einsatzort sein müssen, im vergangenen Jahr schon wieder nicht eingehalten worden ist. „Da können einige Minuten im Stau viel ausmachen“, sagt Schuster. Dazu kommt, dass die Zahl der Einsätze seit Jahren wächst. „Die Steigerung beträgt regelmäßig zwischen fünf und zehn Prozent“, so Bangerter. 116 000 Anrufe auf der Notrufnummer 112 sind im vergangenen Jahr in Stuttgart eingegangen. Zu 37 023 hilfsfristrelevanten Einsätzen sind DRK und andere beteiligte Organisationen ausgerückt. 2017 sind es noch 35 144 gewesen. Das liegt wohl am Bevölkerungswachstum, aber auch an der hohen Zahl Alleinlebender und der Anspruchshaltung, glauben die Fachleute.

Ruf nach mehr Fahrzeugen

Die Stadt als Rechtsaufsicht muss und will gegensteuern. „Wir beobachten das mit Argusaugen“, sagt Knödler. Nachdem man in den vergangenen Jahren immer wieder die Zahl der Rettungsfahrzeuge aufgestockt hat, was in Zeiten von Personalmangel nicht einfach ist, erwartet er jetzt einen größeren Wurf. Darüber müssen Hilfsorganisationen und Krankenkassen miteinander verhandeln. „Wir haben ihnen gesagt, dass wir etwas machen müssen. Und zwar so, dass wir endlich einen Puffer bekommen. Ein einzelner Rettungswagen reicht da nicht aus. Wir sind der Meinung, wir brauchen mehr zusätzliche Fahrzeuge“, so Knödler. Das nimmt ein wenig den Druck aus dem Kessel. Doch den Rettungskräften ist wichtig, dass auch die Verkehrsproblematik angegangen wird. „Wenn man vor einer Baustelle minutenlang im Stau steht, helfen mehr Fahrzeuge nicht“, so Bangerter.