Viel los auf der Cannstatter Straße. Autofahrer wollen laut der IHK-Studie nicht nach Stuttgart, sondern nur durch den Talkessel. Foto: dpa Quelle: Unbekannt

Von Sebastian Steegmüller

Stuttgart - Morgens mit 29 Kilometern pro Stunde zur Arbeit, abends mit 28 zurück. Wer mit dem Auto durch den Talkessel zur Arbeit fährt, ist laut einer gestern vorgestellten Studie der Industrie- und Handelskammer (IHK) Region Stuttgart mit diesen Durchschnittsgeschwindigkeiten unterwegs. Wenig überraschend: „Stuttgart hat ein Stau-Problem“, sagte der IHK-Hauptgeschäftsführer Andreas Richter, der sich um das Image der Stadt sorge und pro Jahr einen volkswirtschaftlichen Schaden von bis zu 500 Millionen Euro befürchte.

„Für die Unternehmen in der Region, ihre Beschäftigten und jeden, der die Stadt besuchen will, ist eine funktionierende Verkehrsinfrastruktur wichtig“, sagte Richter. Sein Mitarbeiter Hans-Jürgen Reichardt wurde mit Blick auf das bevorstehende Fahrverbot deutlicher: „Wer nicht bereit ist, den Verkehr zu ermöglichen, will auch kein Wirtschaftswachstum“, so der IHK-Verkehrsexperte. Noch würden die Unternehmen nicht aus der Region wegziehen, aber „man merkt, dass die Verkehrsbelastung Jobsuchende abschreckt“. Unternehmen könnten künftig vermehrt außerhalb der Region investieren, weil die Bedingungen vor Ort zu schlecht seien. „Das Angebot und die Nachfrage passen einfach nicht zusammen“, fügte Richter hinzu, der scharfe Kritik an Stuttgarts Verkehrsplanern übte. „Es sind alles intelligente Menschen, die studiert haben. Deshalb verstehe ich nicht, weshalb teilweise wirklich kuriose Dinge passieren. Fehler gehören dazu, aber dann muss man sie sich auch eingestehen und korrigieren.“ Der Heslacher Tunnel sei dafür ein Paradebeispiel - ein Nadelöhr im Berufsverkehr. Er hätte stadtauswärts zwingend zweispurig gebaut werden müssen, um den allabendlichen Stau in der Innenstadt zu vermeiden. Hier bestehe dringend Nachbesserungsbedarf.

Nicht der einzige Streckenabschnitt, an dem der Verkehr im Talkessel regelmäßig zum Stocken kommt. Im Auftrag der IHK hat die PTV Transport Consult GmbH die zehn größten Staubrennpunkte ausgemacht und anschließend die fünf problematischsten in einer Detailuntersuchung betrachtet: Neben der B 14 vor dem Heslacher Tunnel auch die B10/27 zwischen Feuerbach und Zuffenhausen, das Dreieck Neckarpark, die Nord-Süd-Straße in Vaihingen und die Rotenwaldstraße stadteinwärts. Die Studie analysiert das Verkehrsaufkommen anhand von GPS-Daten aus Fahrzeugen und Mobiltelefonen. Das Ergebnis: An vielen Stellen sind die Kapazitäten zu gering. Es fahren mehr Fahrzeuge, als die Straßen ohne Probleme aufnehmen können. Dazu trägt bei, dass bei vielen Fahrten weder Start noch Ziel im Stadtgebiet liegen. Das Problem: Geeignete Umfahrungen für den Durchgangsverkehr fehlen. Bemerkenswert: Sobald es auf der A 8 rund um das Autobahnkreuz Stuttgart kracht, weichen Auto- und Lastwagenfahrer ins Stadtgebiet aus.

„Eine zusätzliche Filderauffahrt oder eine Verbindung zwischen Ludwigsburg und dem Raum Waiblingen beziehungsweise Fellbach würden für dringend notwendige Entlastung sorgen.“ Auch der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs sei wichtig. Richter sprach sich insbesondere für tangentiale S-Bahn-Linien aus. Auch beim Park-and-Ride-Angebot müsse etwas getan werden. „Wir müssen nicht über Verbote, sondern über Lösungen reden.“ Kurzfristig empfiehlt die Studie, zur Stauvermeidung Unfallschwerpunkte und Knotenpunkte zu entschärfen.“ Beispielsweise mit dem Abriss der Friedrichswahl in Zuffenhausen und dem Bau einer direkten Verbindung zur Schnellstraße. Darüber hinaus fordert die IHK eine langfristige Strategie, um das Verkehrsnetz auszubauen und Umweltbelange und Wirtschaftsinteressen in Einklang zu bringen. „Es fehlt ein visionäres Konzept, um in Stuttgart Mobilität und saubere Luft zu vereinen. Wir müssen die Probleme systematisch angehen und uns ein Ziel setzen, wo wir bis 2050 sein wollen. Mit entsprechenden Meilensteinen, die es Stück für Stück zu erreichen gilt. Es gibt immer Gegner und Befürworter von Lösungen, jetzt muss jemand mal sagen, wo es lang geht.“ Es sei der falsche Weg, immer nur alles abzulehnen und zu sagen, dass etwas nicht gehe.