An der Kralle einer Taube klebt noch ein Stock. Quelle: Unbekannt

Von Sebastian Steegmüller

Stuttgart - Um Tauben von Gebäuden fernzuhalten, werden in der Innenstadt verschiedene Maßnahmen ergriffen. An Torbögen werden kleine Metallspikes angebracht, auf Fenstersimsen Drahtseile gespannt oder an Hauseingängen Vogelattrappen aufgestellt. Selbst mit Falken werden sie vergrämt. Eine Firma greift in der Klett-Passage nun sogar zu einer klebrigen Paste - verbotenerweise.

Vollkommen aufgelöst hat eine Passantin vor wenigen Tagen in den Morgenstunden die Polizei gerufen und den Beamten mitgeteilt, dass im Stuttgarter Hauptbahnhof mehrere Tauben auf Schaltkästen und Beleuchtungselementen festkleben. „Die Tiere konnten sich nur schwer fortbewegen, ihre Krallen waren verklebt“, sagte ein Polizeisprecher. Natürlich habe man sie aus der Notlage befreit. Gegen die Firma aus Weil im Schönbuch, die die Paste aufgetragen hat, sei Anzeige erstattet worden. „Es besteht der Verdacht, dass ein Verstoß gegen das Tierschutzgesetz vorliegt.“

Auch der Stadtverwaltung sind die Vorgänge in der Klett-Passage nicht entgangen. Sie hat die Anwendung der Mittel überprüft. Die Mitarbeiter des Veterinäramtes kamen zu dem Ergebnis, dass der Klebstoff nicht wie vorgeschrieben mit Quarzsand versetzt wurde - durch das Bindemittel wird sichergestellt, dass die Tauben nicht festkleben. Die Vorgehensweise sei „tierschutzwidrig“, bestätigt ein Sprecher der Stadt. Daher sei sie untersagt und die Mittel beseitigt worden. Am Milaneo, dort hat die besagte Firma ebenfalls die Paste an verschiedenen Stellen aufgetragen, sei indes soweit alles in Ordnung gewesen und der Klebstoff mit der entsprechenden Menge Quarzsand versetzt worden.

Die Tierschutzorganisation Peta lobt die Entscheidung und das schnelle Handeln der Stadt ausdrücklich. Bereits zwei Werktage nach ihrem Appell sei die Maßnahme am Stuttgarter Hauptbahnhof unterbunden worden. Sprecherin Judith Stich kritisiert jedoch, dass die Paste überhaupt benutzt werden darf. Denn der Einsatz sei nur mit erheblichen Gefahren für die Tiere verbunden. „Wir fordern die zuständigen Behörden auf, sich klar gegen die Verwendung des Mittels auszusprechen und dessen weitere Vermarktung zu verbieten.“

Edmund Haferbeck, Leiter der Rechts- und Wissenschaftsabteilung bei Peta, nennt Gründe, warum die Paste - auch mit Bindemitteln - „eindeutig tierschutzwidrig ist“. Sie sei mit großem Tierleid verbunden: „Insekten und kleinere Vögel bleiben ganz stecken, größere Vögel reißen sich Teile des Gefieders aus oder verreiben den Kleber beim Putzen im Gefieder und sterben, da sie dadurch flug- oder gar komplett bewegungsunfähig werden.“ Zu einer ähnlichen Einschätzung sei auch bereits das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit sowie das Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz in Bayern gekommen. „Diese Vergrämungsmaßnahme verstößt zudem gegen das Artenschutzrecht, das Jagdrecht sowie gegen das Naturschutzgesetz. Auch der Naturschutzbund Leipzig warnte bereits vor dem Produkt.“

Peta weist zudem darauf hin, dass aus gesundheitlicher Sicht keine Notwendigkeit besteht, Stadttauben zu vertreiben. „Für den Menschen sind die meisten Erreger unbedenklich; einige sind zudem vogel- oder taubenspezifisch und stellen daher kein gesundheitliches Risiko für den Menschen dar.“ Brigitte Oettl, die sich für die Rettung von Stadttauben einsetzt, warnt indes vor dem Einsatz der Paste aus einem anderen Grund: dem Brandschutz. Dabei verweist sie auf das EG-Sicherheitsdatenblatt des Herstellers. Während der Hautkontakt mit dem Mittel für den Menschen insgesamt eher unbedenklich ist, könnten im Fall eines Feuers Kohlenmonoxid und Kohlendioxid entstehen. Es wird empfohlen, zur Brandbekämpfung ein von der „Umgebungsluft unabhängiges Atemschutzgerät“ beziehungsweise ein „Chemikalienschutzanzug“ zu tragen.

Aus Sicherheitsgründen sei ein „Wasservollstrahl“ ein ungeeignetes Löschmittel, stattdessen solle man bei Bränden zu Kohlenstoffdioxid, Trockenlöschmittel, alkoholbeständiger Schaum und Sprühwasser greifen.

Oettl befürchtet daher, dass brennende Paste im Ernstfall mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht richtig gelöscht werden könne. „Das Mittel wird hauptsächlich auf Dächer, Vorsprünge und in Regenrinnen verwendet. Im Normalfall setzt die Feuerwehr genau dort einen Wasservollstrahl ein.“ Sie sieht daher eklatante Gefahren für die Feuerwehr und die Bewohner.