Ein außergewöhnlicher Sport: Benjamin Grams trainiert seit über zehn Jahren für imposante Sprünge und Klettertouren. Fotos: ashigaru.de Quelle: Unbekannt

Von Janey Olbort

Stuttgart - Zwei junge Männer blicken von einem zehn Meter hohen Stahlkreuz vom Gipfel des Monte Scherbelino - wie der Kriegstrümmerberg am Birkenkopf im Volksmund genannt wird - auf die Stadt hinab. Ein Foto, das diese außergewöhnliche Szene zeigt, kursierte kürzlich in den sozialen Netzwerken und sorgte dort für Begeisterung. Darunter der Vermerk: „PS: Bitte nicht nachmachen, das sind professionelle Kletterer auf dem Bild.“

Einer dieser professionellen Kletterer ist Benjamin Grams aus Stuttgart. Das Foto ist bereits vor über einem Jahr entstanden. „Als wir von einer Klettertour pünktlich zum Sonnenuntergang in Stuttgart ankamen, sind wir spontan zum Kreuz auf dem Monte Scherbelino, um den Ausblick zu genießen“, sagt er. Grams ist Mitglied in der Athletengruppe Ashigaru. Der 24-Jährige und seine Kollegen machen Parkour, eine Sportart, bei der sich die Beteiligten quer durch die Stadt über alle erdenklichen Hindernisse hinweg bewegen: Es geht an Mauern entlang, über Treppen wird ein Salto geschlagen, sogar Häuserschluchten werden im Sprung überwunden. Entwickelt wurde Parkour bereits Ende der 1980er-Jahre von dem französischen Soldaten Raymond Belle. Ein Video, das eine Klettertour von dessen Sohn David Belle zeigt, war für Grams der Auslöser, selbst loszulegen. „Wir waren so fasziniert, dass es Leute gibt, die durch die Stadt rennen und Alltägliches, wie Mauern oder Geländer, als Hindernisse verwenden, dass wir es direkt selbst ausprobiert haben.“

Was den meisten Zuschauern aufgrund der schwindelerregenden Höhe Schweißperlen auf die Stirn treibt, ist für die Profis kein Grund zur Aufregung: „Passieren kann immer etwas, aber bei Aktionen wie der auf dem Birkenkopf sind wir maximal konzentriert“, sagt Grams. Aus rechtlicher Sicht spricht übrigens nichts gegen die waghalsige Tour auf das Kreuz. Möglich sind solche Klettertouren für die Sportler jedoch nur durch jahrelanges Training. Dabei werden die mentalen und physischen Herausforderungen Schritt für Schritt gesteigert. „Vor ein paar Jahren hätte ich mir das noch nicht zugetraut“, sagt Grams, der seit mehr als zehn Jahren Parkour macht.

Die ständige Herausforderung ist es auch, die den 24-Jährigen motiviert. Der Adrenalin-Kick und der Drang nach Aufmerksamkeit stehen dabei nicht im Vordergrund. Vielmehr sind es die Freude an der Bewegung und die Aussicht, die ihn anspornen. „Ich sehe so oft Menschen, die mit ihren Blicken auf ihr Handy durch die Häuserschluchten laufen, umgeben von all den Geräuschen einer Großstadt. Ich kann dem allem entkommen und innerhalb von ein paar Minuten den Horizont sehen.“ Für seine Leidenschaft ist Grams häufig in der Welt unterwegs. Besonders im Gedächtnis ist ihm ein Ausflug nach London geblieben. „Wir mussten durch einen Irrgarten klettern, um auf ein Hausdach zu gelangen. Oben angekommen, blickten wir auf die Skyline von London - ein Gefühl purer Freiheit.“ In heimischen Gefilden trainiert er gerne auf dem Campus der Uni Stuttgart in der Stadtmitte oder auf dem Uni-Gelände in Vaihingen. „Aber Parkour kann man überall machen, das ist ja das Schöne - die ganze Stadt wird zum Spielplatz.“