Azubi Tommy Becker lernt Schweißen mit Hilfe einer VR-Brille. Foto: Bulgrin - Bulgrin

Daimler verankert Themen rund um Digitalisierung immer stärker in der Berufsausbildung. Ein Beispiel ist das konzernweit erste Industrie 4.0-Labor im Ausbildungszentrum in Esslingen-Brühl.

UntertürkheimBrille auf und es kann losgehen: Auszubildende in der Automobilindustrie können heutzutage mit einer Virtual-Reality-Brille das Schweißen und Lackieren lernen, ganz ohne Material zu verbrauchen und ohne sich zu verletzen. Das zeigt, dass die Digitalisierung in der Automobilbranche alle Bereiche betrifft, auch die Berufsausbildung. Die Daimler AG hat auf den rasanten digitalen Wandel in der Automobilbranche reagiert: Technische Azubis und duale Studenten lernen im neuen Industrie 4.0-Labor im Ausbildungszentrum Esslingen-Brühl mit Robotern zu arbeiten, Anlagen per Tablet-PC zu steuern oder vernetzte Produktionslinien zu programmieren. Es ist konzernweit das erste Labor seiner Art und seit diesem Ausbildungsjahr fester Bestandteil in den Ausbildungsplänen.

12 Millionen Euro für Lernmedien

„Die Auszubildenden von heute sind die Fachkräfte von morgen. Sie werden in vernetzten, flexiblen Fabriken auch an autonomen und elektrisch angetriebenen Fahrzeugen arbeiten“, sagte Wilfried Porth, Vorstand der Daimler AG für Personal, Arbeitsdirektor und Mercedes-Benz Vans, gestern während einer Pressekonferenz im Daimler-Ausbildungszentrum in Esslingen-Brühl. Die Digitalisierung in der Automobilbranche ist also sehr vielfältig. Deshalb ist das Labor nur ein Beispiel für die Digitalisierung in der Ausbildung bei Daimler. Allein in den vergangenen zwei Jahren investierte der Konzern 12 Millionen Euro in technische Ausstattung und digitale Lernmedien in Deutschland. In den deutschen Mercedes-Benz Truck- und Pkw-Werken zum Beispiel, werden Azubis an den 3D-Druck oder den Einsatz von Augmented-Reality-Brillen herangeführt. So lässt sich virtuell das Innere eines Autos aus allen Blickwinkeln erleben, durch Handbewegungen lassen sich Teile entnehmen und erneut wieder einbauen. Die Azubis können mit VR-Brillen Schweißerarbeiten erlernen, ohne sich zu verletzen. Ein weiterer Vorteil: Ressourcen werden geschont. Doch nicht nur Azubis profitieren. Daimler investierte im vergangenen Jahr deutschlandweit 120 Millionen Euro in die Weiterbildung, zum Beispiel in Online-Kurse und Fachtagungen.

Das Industrie 4.0-Labor kann von allen Azubis genutzt werden, egal für welchen technischen Beruf sie ausgebildet werden, denn das Labor lässt sich flexibel auf die jeweiligen Anforderungen abstimmen. „Digitalisierung betrifft jeden Beruf, jeder muss mitmachen, um mithalten zu können“, erklärt Wilfried Porth. In dem Labor lernen die Azubis, wie man Bauteile anhand verschiedener Parameter herstellt. So kann man die Temperatur und Dauer im Heiztunnel einstellen, damit die Einzelteile verklebt werden können, oder die Anzahl der Löcher für die Schrauben angeben, die von der Maschine gebohrt werden. Das Intelligente daran sind RFID-Chips, die in dem Werkstückträger integriert sind, der die Einzelteile zu den Stationen transportiert. Der Chip gibt dort an, wohin das Bauteil als nächstes soll. Über das sogenannte MES-System (Manufacturing Execution System) können Kunden diese Bauteile ortsunabhängig nach ihren Bedürfnissen einstellen. Die Internetplattform ist auch über einen QR-Code über das Smartphone zugänglich. Die Kunden erfahren darüber sofort, wann der Produktionsauftrag beendet ist.

Die Digitalisierung entführt aber auch in virtuelle Welten: Tommy Becker ist Auszubildender im ersten Lehrjahr und demonstriert das virtuelle Schweißen. Er setzt die Schweißermaske mit integrierten Bildschirm auf, und aus der realen grünen Oberfläche wird ein Werkstück, das bereit zum Schweißen ist. Auf dem Bildschirm sieht der Azubi anhand von Markierungen, wo er schweißen muss, und ob er das Schweißgerät im richtigen Winkel hält. Direkt nach der Übung gibt das System Rückmeldung, ob die Arbeit gut gemacht wurde, und wo es noch Verbesserungsbedarf gibt. „Wer sich noch etwas unsicher mit dem Schweißen ist, oder Angst hat, sich versehentlich zu verbrennen, für den ist diese virtuelle Methode eine gute Übung“, findet Becker. Damit die Azubis jederzeit auf das Gelernte im Labor zurückgreifen können, gibt es die Internetplattform Sharepoint. Darin zu finden sind Lernmaterialien über alle Stationen des Labors sowie Schulungsunterlagen.

Michael Brecht, Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats der Daimler AG, sieht die stetigen Veränderungen als lebenslanges Lernen an: „Wir sind ständig mit neuen Themen beschäftigt, es entstehen neue Produkte, neue Berufsfelder. Somit komt das Lernen auf jeden zu.“ Es sei zudem wichtig, dass Deutschland in der Digitalisierung aufholt. Porth ergänzt: „Damit das gelingt, braucht es auch mehr staatliche Unterstützung.“