(wic) - Mit dem folgenschweren Tiefgaragenbrand in der Silvesternacht 2014/15 im Wildgansweg befasst sich in zweiter Instanz das Stuttgarter Landgericht. Unter neuer Anklage stehen drei 17, 18- und 21-jährige Jugendliche, die bereits vom Amtsgericht abgeurteilt wurden. Ein Vierter wurde freigesprochen. Gegen das Urteil hatten Staatsanwaltschaft und Beschuldigte Berufung eingelegt.

Nahezu zweieinhalb Jahre ist es her, dass die Tiefgarage unter einem Wohnkomplex im Wildgansweg in der Silvesternacht plötzlich in Flammen stand. Schaden: über eineinhalb Millionen Euro. Der Brand hatte verheerende Folgen: Das Feuer hatte sich ausgebreitet, mehrere geparkte Fahrzeuge eingeäschert und die Statik des darüber liegenden Wohngebäudes erheblich geschädigt. Wegen Rauchgase, die sich in den Treppengängen nach oben ausbreiteten, wurden 20 Bewohner, darunter zwei Feuerwehrmänner, verletzt. Weitere 110 Bewohner der Anlage mussten kurzzeitig ihre Wohnungen verlassen und wurden in Hotels untergebracht. Ist dieser Brand durch eine von den Angeklagten gezündete Silvesterrakete ausgelöst worden?

Um diese Frage geht es im Berufungsprozess. In der ersten Anklage war die Staatsanwaltschaft davon ausgegangen, dass einer der beiden Hauptangeklagten die Rakete gezündet hatte. Die beiden anderen seien als Zuschauer dabei gestanden, ohne einzugreifen. Aufgrund der durch die Hitze beschädigte Deckenkonstruktion musste sogar darüber liegendes Erdreich abgetragen werden, um die Stahlträger freizulegen und auszutauschen.

Kein technischer Defekt, sondern fahrlässige Brandstiftung, so die polizeilichen Ermittlungen damals. Jugendliche hatten im Innern der Garage eine offensichtlich selbst gebaute Groß-Rakete gezündet, die brennend in eine Gitterbox landete, in der Motorräder sofort Feuer fingen, wie das Cannstatter Schöffengericht im ersten Prozess gegen die insgesamt vier beschuldigten jungen Männer feststellte. Nicht nur die Zweiräder, 54 weitere Fahrzeuge wurden zerstört. Zwei der Angeklagten sind vom Schöffengericht wegen fahrlässiger Brandstiftung und Körperverletzung zu je 120 Arbeitsstunden verurteilt worden. Der Dritte - ein 19-Jähriger - wurde zu 70 Arbeitsstunden verurteilt. Ein vierter Angeklagter wurde freigesprochen. Ihm war eine direkte Beteiligung nicht nachzuweisen.

In der Berufungsverhandlung vor der zweiten Jugendstrafkammer soll nun geklärt werden, wer Schuld an dem Großfeuer hat. Im ersten Verfahren hatten deren Verteidiger geschlossen Freisprüche beantragt. Es sei nicht einwandfrei nachgewiesen, dass die große Rakete den eigentlichen Brand ausgelöst hatte. Schließlich seien auch andere Jugendliche in der Silvesternacht in Tatortnähe gewesen und hatten Feuerwerkskörper gezündet.

Dieser Standpunkt wird beibehalten, während die Staatsanwaltschaft höhere Sanktionen anstrebt. Das erstinstanzliche Urteil sei ohne Beanstandungen, betonte der Vorsitzende gestern. Aber die Anwälte bleiben bei ihrer Meinung, denn schließlich liegen bereits Zivil-Forderungen gegen einen der Angeklagten beim Landgericht vor. Die Strafkammer hat vier Prozesstage angesetzt. Ein Urteil soll Ende Mai gesprochen werden.