Strahlende Gesichter und viel Optimismus bei den kroatischen Fans. Tausende werden am Sonntag auf der Fußballmeile „Theo“ und in den Biergärten der Landeshauptstadt beim Public Viewing erwartet. Foto: Rosar - Rosar

Wie viele Kroaten am Sonntag zum WM-Endspiel die Innenstadt stürmen, kann keiner sagen. Fest steht: Die rund 15 000 Kroaten, die in der Landeshauptstadt leben, träumen vom Titel.

StuttgartGeorg lebt in Obertürkheim und ist seit fast 20 Jahren mit einer Engländerin verheiratet. Keine Frage, für welche Mannschaft am Mittwochabend nach dem kläglichen Vorrunden-Aus der deutschen Nationalmannschaft sein Herz schlug. „Mein Gesicht wurde immer länger – doch war Kroatien einen Tick besser“, so der 56-Jährige, der sich jetzt das Endspiel zusammen mit seinem Schwager anschauen will. Oder besser muss, denn Vlado, der seit rund 30 Jahren in Stuttgart lebt, ist Kroate und hatte sich am Mittwoch bereits kurz nach dem Abpfiff telefonisch für Sonntag in Obertürkheim angekündigt: Zuerst Grillen, dann gemeinsam das Endspiel anschauen. Georg macht gute Miene zum bösen (End)Spiel – zumal ein gemeinsamer Besuch der völlig überfüllten „Theo“ komme für ihn nicht in Frage.

Denn längst hat es sich in der Region herumgesprochen, dass die wildesten Fußballpartys dort gefeiert werden. Kein Wunder, dass ein Großteil der rund 15 000 Kroaten die Fußballspiele in der City anschauen und anschließend auf der „Theo“ feiern. Nach dem Viertelfinalsieg der Kroaten gegen Russland am vergangenen Samstag waren es gut 8000 Fußballfans, beim Halbfinalsieg gegen England immerhin 4000; was allerdings nur dem Umstand geschuldet war, dass das Spiel unter der Woche stattfand und viele am nächsten Tag zur Arbeit mussten.

Heiße Phase nach dem Abpfiff

„Auch wenn die Fanzahlen fürs Endspiel größer werden, ändert sich am Einsatzkonzept nichts“, sagt Polizeisprecher Jens Lauer. Damit werde die Zahl der Beamten ähnlich sein wie beim Halbfinale.“ Die Polizei rechnet damit, dass die Fans der kroatischen Mannschaft im Falle eines Sieges „Feiern bis zum Morgen, dann wird das eine lange Nacht für unsere Kollegen“, sagt Jens Lauer. Die heiße Phase beginnt jedoch erst während des Spiels, bei der Anreise der Fans sei erfahrungsgemäß noch nicht viel los. Die Stuttgarter Polizei erhält auf jeden Fall Unterstützung durch Beamte aus anderen Städten.

Auf die Knallkörper, Bengalos und pyrotechnischen Gegenstände, welche die Kroaten gerne zünden, werde die Polizei ein Augenmerk legen. „Wenn wir einen beim Zündeln sehen, schreiten wir natürlich ein“, sagt Lauer. Oft sei es aber schwierig, den Urheber zu identifizieren, wenn aus einer Menge heraus ein Feuerwerkskörper geworfen wird. Die Polizei hat Beamte im Einsatz, die bei gefährlichen Situationen auch mit Videokameras Beweise sichern. „Dann findet man manchmal auch im Nachhinein noch einen Fan heraus, der Böller oder Bengalos gezündet hat“, erläutert der Polizeisprecher.

Erfahrungsgemäß sind die Kroaten auch eine Fangruppe, die gerne mit Autocorso feiert. Die Polizei wird die Theodor-Heuss-Straße sperren, wenn sich dort wie erwartet eine große Menschenmenge bildet. Das war bei den zurückliegenden Kroatienspielen schon während der regulären Spielzeit der Fall gewesen. „Dann stellen wir uns darauf ein, wie der Corso verläuft. Das kann man nicht immer genau vorhersehen, es kommt ja auch darauf an, ob und wie viele Fans mit ihren Autos aus den umliegenden Landkreisen anfahren“, sagt der Polizeisprecher.

WM-Hotspot für die kroatischen Fußball-Fans ist die Topas-Bar. Sie ist seit mehr als 20 Jahren die Anlaufstelle für die feurigen Feierlichkeiten. Wobei feurig wörtlich zu nehmen ist, denn die Fußball-Partys kommen leider nicht ohne das Zünden von Feuerwerkskörpern aus. Eine Unsitte, die von den Sicherheitskräften zwar permanent angemahnt wird, aber einfach nicht in den Griff bekommen zu ist.

Trikots seit Tagen ausverkauft

Ivo Jozic ist seit 2011 Betreiber des Adria Markts, einem kroatischen Lebensmittelladen in Bad Cannstatt. Momentan macht er den besten Umsatz mit Fußballfanartikeln, die das markante rot-weiße Karomuster tragen. In seinem Laden findet das kroatische Fanherz alles, was es begehrt – wenn die entsprechenden Fanartikel denn noch vorrätig sind. „Unsere Trikots und großen Fahnen sind seit Tagen ausverkauft. Am Donnerstag hatten wir noch einmal mal 150 Trikots bekommen, die waren nach einem Tag alle weg“, schildert Jozic den großen Andrang seiner Kunden. In seinem Geschäft in der Mercedesstraße läuft auf einem großen Fernseher im Hintergrund eine Aufzeichnung des Halbfinalspiels Kroatien gegen England. „Das Spiel könnte ich mir den ganzen Tag anschauen“, sagt der Kroate und lacht. Seine Mitarbeiter und er tragen sogar während der Arbeit kroatische Trikots. Auf die Frage, was ihm der Gewinn des WM-Titels persönlich bedeuten würde, antwortet der 55-Jährige mit leuchtenden Augen: „Das lässt sich gar nicht in Worte fassen, für das ganze Volk ist es wie ein Rausch. Unser kleines Land Fußballweltmeister? Damit hätte am Anfang niemand gerechnet.“ aks/uli