So sah das Alte Schulhaus aus nach der Bombardierung in Mühlhausen am 15. April 1943 aus. In den Trümmern dort verletzte sich Zeitzeuge Herbert Schmidt damals an den Resten einer Phosphorbombe am Bein. Foto: Ortsarchiv Mühlhausen - Ortsarchiv Mühlhausen

Zeitzeugen aus Mühhausen erinnern sich an die Bombennacht am 15. April vor 75 Jahren.

Mühlhausen S ie waren damals sechs Jahre alt, Herbert Schmidt und Ernst Geib. Junge Erstklässler, als am 15. April um 0.45 Uhr die Sirenen heulten und die Leute in die Keller ihrer Häuser flüchteten. Schmidt, heute 81, saß in der Veitstraße 47 im tiefen Keller mit seiner Tante und seiner Großmutter und Geib, heute ebenfalls 81, saß in der Reinhardstraße 27 mit der Mutter und Großmutter in einem ebenerdigen Kellerraum. Sechs bis acht Leute waren bei Geib zusammengesessen. „Der eine hat den anderen beruhigt“, so Geib. „Erst hörte ich die Sirenen, dann das Brummen der Flieger. Dann sind die Bomben gefallen. Es hat gepfiffen und dann hat es einen Schlag getan. Wir hatten Angst und haben gezittert“, berichtet Schmidt. Geib bestätigt die Worte des Zeitzeugen. Eine Stunde habe der Bombenangriff gedauert. Vor allem die Dachstöcke hätten gebrannt.

Dann sind sie nach oben. „Jetzt kannst Du mal sehen, wie Mühlhausen brennt“, hat die Großmutter zu Geib damals gesagt. Stromleitungen lagen darnieder. Eine Scheuer ist in sich zusammengefallen. „Es war schrecklich“, sagt Geib. „Es war ein Inferno“, stimmen beide zu. Auch Schmidt erinnert sich, als er nach dem Bombenhagel ans Tageslicht kam, wie die Leute auf die Felder gerannt sind aus den brennenden Häusern. „Die Kühe haben geschrien und gebrannt“, so Schmidt. Das Palmsche Schloss habe sehr lange gebrannt. Feuerwehren seien von überall vor Ort gewesen.

Es waren Stabbrandbomben gefallen. „Die konnte man löschen“, so die Zeitzeugen. Geib: „Meine Mutter hat sie gelöscht.“ Eine Stabbrandbombe war auch auf die Veitskapelle gefallen. Der Pfarrerssohn Reinhold Schreiber hat sie mit seinen Schwestern gelöscht. „Sonst wäre die Veitskapelle abgebrannt“, sagt der Mühlhäuser Ralf Brust, der sich intensiv mit der Geschichte auseinander gesetzt. Brust ist bis heute Kirchenwächter und Führer und hat bereits mit dem verstorbenen Rolf Straub diesen Posten in der Veitskapelle betraut. Der Brustsche Hof sei auch heruntergebrannt bis auf den ersten Stock. Das sei heute noch sichtbar. Im Veitsblättle erinnert er aktuell an die Zerstörung der Walpurgiskirche, die früher die eigentlich genutzte Kirche war. Erst als sie zerstört wurde, ist die Gemeinde in die Veitskapelle gezogen. Diese war früher auch anders genutzt, etwa als Getreidelager und Pferdestall und auch Soldaten seien hier untergekommen. Die Kunstgegenstände waren ausgelagert. Erst ab 1943 fanden hier Gottesdienste statt, als die Walpurgiskirche zerstört war, erstmals wieder nach 370 Jahren. Teile der Walpurgiskirche kamen in die Veitskapelle wie der Jungfrauenaltar und das Gemälde von Freifrau Maria Magdalena von Closen, geb. von Eyb und die Ölgemälde von den vier Evangelisten und deren Attribute, so Brust.

Auch Sprengbomben waren gefallen in der Nacht. Die fielen vor allem unterhalb der Kirche, so die Zeitzeugen. Beide Häuser, das von Geib und das von Schmidt wurden bei dem Angriff beschädigt. Als das Wasser ausging, wurde die Jauchegrube geöffnet und damit gelöscht. Auch Luftminen zerstörten im unteren Bereich Mühlhausens Häuser. Es gab 24 Tote, wie aus dem Bericht des Pfarrerssohns Reinhold Schreiber hervorgeht, der seinem Vater ins Krankenhaus schrieb. Neben dem Pfarrhaus stand die Schule, die wurde auch getroffen.

„Und da sind Phosphorbomben gefallen.“ Schmidt hat das schmerzlich erlebt. Er war dort in der Ruine und ist hingefallen und hat sich am Fuß verletzt. Der hat geeitert, wie Schmidt berichtet. Es stand sogar zur Debatte, den Fuß abzunehmen. Doch dann ging es glimpflich vorbei. „Ich hatte jahrelang Eiterstellen am Fuß“, so Schmidt. Warum fand der Bombenhagel überhaupt in Mühlhausen statt? Es sei ein Angriff der Engländer gewesen, so die Zeitzeugen. Die hätten eigentlich die Industriebereiche in Feuerbach treffen wollen, seien aber vom Kurs abgekommen. Und so hätte es Mühlhausen getroffen.

In der Folge wurden die Stollen gebaut mit dem Stollen Haisch, dem Gemeinschaftsstollen unter dem Sportplatz und dem Bosch-Stollen. Die Zeitzeugen erinnern sich noch, wo sie im Stollen waren. „Schlimm war, dass wir oft mehrfach in der Nacht aus dem Schlaf gerissen wurden“, so Geib. Die Kinder schliefen in Kleidung, damit sie gleich los konnten. Der Max-Eyth-See sei in der Folge 1944 abgelassen worden, damit die Bomber keine Zielpunkte zur Markierung mit ihren so genannten „Christbäumen“ finden konnten. 1944 gab es nochmals einen Angriff. Doch die Bombennacht 1943 sei die Schlimmste gewesen. Geflüchtet seien kaum welche. Wo sollten sie auch hin, sagen die Zeitzeugen. „Es wurde in der Waschküche gehaust, so lange, bis wieder aufgebaut werden konnte.“ Wenn sie heute im Fernsehen Berichte aus Kriegsgebieten sehen, erinnern sie sich und erklären es ihren Enkeln. Die Zeit hat sie geprägt. „Keine Waffen produzieren und nicht nutzen“, ist ihre Devise.

Im Ortsarchiv sind Erinnerungsstücke, Teile von Brandbomben zu sehen, Berichte und Fotos. So hat Stadtplaner Supper damals wenige Tage vor der Bombennacht 1943 Mühlhausen fotografiert und nach dem Angriff auch wieder. Fritz Frank habe diese Fotos gesammelt, so Heinz Morhard vom Bürgerverein Mühlhausen. Er und Archivarin Nina Raczek sind derzeit mit Team dabei, die Archivmaterialien weiter zu sortieren. Die neuen Schränke sind jetzt gekommen, die sie Dank Spenden und Fördergeldern anschaffen konnten.

Wer sich für das Ortsarchiv interessiert, erhält Infos unter www.ortsarchiv-stuttgart-muehlhausen@gmx.