Mit Emmanuel Macron ist ein Mann der Mitte neuer Präsident Frankreichs geworden. Auf ihn wartet viel Arbeit. Die Finanzen Frankreichs sind ziemlich strapaziert. Die Schulden der öffentlichen Hand sind zu hoch und machen fast 100 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung des Landes aus. Außerdem wächst Frankreichs Wirtschaft zu langsam. Ohne ein stärkeres Wachstum wird die hohe Arbeitslosenquote nicht sinken. Fast jeder zehnte Franzose ist arbeitslos, bei den Jugendlichen unter 25 Jahren ist es sogar jeder Vierte. Reformen sind gefragt. Bevor Macron diese einleiten kann, muss er in den Wahlen zur französischen Nationalversammlung am 11. und 18. Juni die Parlamentsmehrheit erringen - zumindest aber so viele Sitze, dass es für eine Führungsrolle in einer Koalition reicht.

Ein weiteres Ziel Macrons ist die Verbesserung der Zusammenarbeit in Europa. Leicht wird dies nicht. Macron kritisierte im Wahlkampf zum Beispiel den deutschen Überschuss im Außenhandel mit Frankreich - 2016 waren es 35 Milliarden Euro. In seinem Wahlkampf hatte er Distanz zu Angela Merkel gehalten. Damit wollte er den Vorwurf entkräften, er bewerbe sich als „deutscher Vizekanzler“. Seine erste Auslandsreise führte ihn gleichwohl nach Berlin, um in Deutschland um Unterstützung für seinen Kurs zu werben.

Das deutsch-französische Tandem ist seit jeher der Motor der EU. De Gaulle und Adenauer, Mitterand und Kohl, Chirac und Schröder - das sind die Bilder der Vergangenheit, an denen Macron (und Merkel) gemessen werden dürften.

Ein zentraler Punkt bleibt die Fortentwicklung und die dauerhafte Sicherung des Euro. Macron gilt als Befürworter von gemeinschaftlichen Anleihen der Eurostaaten, sogenannten Euro-Bonds. Mit diesen Euro-Bonds würden dann sowohl deutsche Steuerzahler für französische Schulden haften als auch umgekehrt. Merkel hat Euro-Bonds vor einiger Zeit noch definitiv ausgeschlossen. Das Thema ist beim deutschen Wähler unbeliebt. Daher dürften beide Seiten weniger ehrgeizige Ziele ansteuern. Die Rede ist von einem Euroraum-Parlament und von einem eigenen Haushalt für die Euro-Staaten. Das wäre sinnvoll, denn bislang gibt es beides nur für die EU. So oder so führt an einer engen Kooperation in Europa kein Weg vorbei. Das ist ein Grundsatz der Nachkriegspolitik, dessen Bedeutung uns die Haltung Russlands und den Machtwechsel in den USA vor Augen führt. Wir haben allen Anlass, dem neuen Präsidenten Frankreichs viel Erfolg zu wünschen, damit Frankreich der verlässliche, auch wirtschaftlich starke Partner bleibt, der es die meiste Zeit seit Gründung der EU gewesen ist.

Uwe Burkert

Leiter des Bereichs

Research bei der LBBW