170 neue Lehrkräfte – im Bild die Vereidigung im Rathaus – Foto: Sebastian Gall - Sebastian Gall

170 Lehrerinnen und Lehrer wurden zum neuen Schuljahr in der Landeshauptstadt an öffentlichen Schulen eingestellt. Dennoch herrscht vor allem an Grundschulen Mangel. Es droht Unterrichtsausfall.

Bad CannstattHeute startet das neue Schuljahr 2019/20. Nicht nur 4520 Erstklässler haben im Laufe der Woche ihren ersten Schultag in der Landeshauptstadt. Auch für 139 Lehrerinnen und 31 Lehrer beginnt die Berufslaufbahn – sie wurden in den öffentlichen Schuldienst an Grund-, Werkreal-, Real-, Gemeinschaftsschulen und Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren eingestellt. Das sind sechs mehr als im Vorjahr. 23 neue Lehrkräfte wechseln in den Privatschuldienst. An acht Grundschulen werden dringend Lehrkräfte gesucht, die mit befristeten Verträgen eingestellt werden können. Das heißt, es kann bei der Unterrichtsversorgung in den Klassen 1 bis 4 zu Engpässen kommen. „Der Markt ist leer, wir müssen auf Zufallstreffer hoffen“, sagt Schulamtsdirektorin Sabine Graf vom Staatlichen Schulamt Stuttgart. Im Krankheitsfall droht Unterrichtsausfall. Die Reserve für Krankheitsvertretungen ist bereits zum Schuljahresbeginn eingesetzt.

Unterrichtsversorgung: Aufgrund der insgesamt sehr guten Einstellungssituation ist es oft sehr schwierig, Vertretungslehrkräfte zu gewinnen. Diese kommen zum Schulstart fast nur noch aus anderen Bundesländern oder dem gymnasialen Bereich. „Eine Lehrerin aus Sachsen hat sich gemeldet, sie ist hierher gezogen“, so Graf. „Da ist natürlich ein Glücksfall.“ Auch sechs Lehrkräfte mit gymnasialer Ausbildung konnten an Grundschulen eingesetzt werden. Im Vorjahr waren es noch 20. Der hohe Bedarf resultiert aus den steigenden Schülerzahlen im Bereich der Grundschule – knapp 100 Schülerinnen und Schüler mehr – sowie einer hohen Zahl von Pensionierungen und Elternteilzeiten. Zudem wechselten Lehrkräfte von Stuttgart an andere Schulämter, ließen sich versetzen. Die 800 Stunden Reserve für Krankheitsvertretungen sind für die Unterrichtsversorgung zum Schuljahresbeginn bereits verplant. Engpässe drohen auch bei Werkrealschulen, Realschulen und Gemeinschaftsschulen. Da ist die Unterrichtsversorgung zwar gesichert, vor allem dank der vom Kultusministerium geschaffenen Möglichkeit, gymnasiale Lehrkräfte an Real- und Gemeinschaftsschulen einstellen zu können. Aber: „Sollte es im laufenden Schuljahr zu weiteren Ausfällen kommen, kann es zu Engpässen kommen“, bedauert Thomas Schenk, Leiter des Staatlichen Schulamtes.

Sonderpädagogische Bildungs- und Beratungszentren (SBBZ): Auch da geht das Staatliche Schulamt mit einer Unterversorgung ins Schuljahr. „Wir haben mehr Schüler zu betreuen und es fehlt an ausgebildeten Lehrkräften“, sagt Christof Kuhnle, im Schulamt für den Fachbereich Sonderschulen zuständig. 16 Neueinstellungen und das Zurückgreifen auf Lehrkräfte aus anderen Bereichen und auch Pensionäre reiche nicht aus.

Einschulung: Zum neuen Schuljahr werden 4520 Erstklässler eingeschult, 4401 an öffentlichen Schulen, 119 an SBBZ. Die Einschulungsfeiern finden im Laufe der Woche und teilweise auch noch am Montag und Dienstag kommender Woche statt.

Zurückstellung: 660 schulpflichtige Kinder wurden vom Schulbesuch zurückgestellt. 213 sogenannte Korridorkinder – sie werden nach dem 30. September sechs Jahre alt und sind aufgrund ihres Lern- und Entwicklungsstandes schulfähig – wurden geprüft, 153 eingeschult, 61 verbleiben in der Kita oder besuchen, wenn Platz ist und die Eltern es wünschen, eine Grundschulförderklasse. Etwa 350 Kinder werden eine Grundschulförderklasse an 23 Standorten in Stuttgart besuchen. „Das ist ein wichtiges Instrument, um die Kinder schulfähig zu machen“, betont Graf. Es sorge auch für seelische Stabilität und Persönlichkeitsförderung.

Umschulung: Dieses Thema beschäftigt Schulamt, Schulen und Eltern „in außerordentlichem Maß“. Wenn Eltern mit der zugewiesenen Grundschule nicht einverstanden sind – keine Ganztagesbetreuung, weiter Schulweg, Freund/in in anderer Schule – beantragen Eltern eine Umschulung. Insgesamt 686 Anträge mussten bearbeitet werden, 610 wurde stattgegeben. 19 Widersprüche gingen ein, von denen bei 17 im Sinne der Eltern geholfen werden konnte. Für die restlichen zwei Fälle wurden zufriedenstellende Lösung gefunden, vermeldet das Staatliche Schulamt.

Veränderungen: In der Klassen 1 und 2 wird ab diesem Schuljahr kein Englisch mehr unterrichtet. Dafür gehen je Klasse zwei Stunden in den Förderbereich Deutsch und Mathematik. „Das war zwingend nötig“, so Schulamtsleiter Schenk. Neu an Grundschulen sind Kurse für „nachgehende Sprachförderung“. Verbesserungen erhofft sich das Staatliche Schulamt durch die Änderung des Einschulverfahrens. Die so genannte Schuleinschreibung erfolgt jetzt früher, bereits in Kalenderwoche 43 und nicht mehr im Frühjahr. „Das bietet uns wesentlich größere Planungssicherheit“, begründet Schenk. Neu ist auch, dass an Realschulen parallel zur Realschulabschluss- auch die Hauptschulabschlussprüfung durchgeführt wird.

Schulwechsel: Von den 4350 Schülerinnen und Schüler, die den Grundschulabschluss erreicht haben (Vorjahr 4177), wechseln 207 an die Werkrealschulen (227), 450 (457) an Gemeinschaftsschulen und 1028 (1095) an Realschulen. Eine deutliche Steigerung gab es beim Wechsel an Gymnasien und Privatschulen.

Realschulen: Sie verzeichnen zwar eine geringere Schülerzahl (7447 im Vergleich zu 7495 im Vorjahr). Diese sind aber auf weniger Klassen verteilt sind. Dadurch steigt die Klassengröße auf durchschnittlich 27,1 (26,1). In Degerloch gibt es eine Klasse mit 31 Schülerinnen und Schülern.

Gemeinschaftsschule: Vier der acht Stuttgarter Gemeinschaftsschulen haben jetzt den Vollausbau (Klasse 5 bis 10) erreicht. Der Standort für die gemeinsame gymnasiale Oberstufe für die Gemeinschaftsschulen steht noch aus. Eine Entscheidung wird im Frühjahr erwartet. An allen acht Schulen gebe es noch Platz. „Viele Eltern haben die Gemeinschaftsschule immer noch nicht auf dem Schirm“, sagt Birgit Popp-Kreckel, stellvertretende Schulamtsleiterin. Wer das Gymnasium verlassen muss, könne auch auf eine Gemeinschaftsschule wechseln und nicht zwingend auf eine Realschule.

Inklusion: Es ist festzustellen, dass mehr Kinder mit Behinderungen an SBBZ gehen und nicht mehr inklusiv an allgemeinbildenden Schulen beschult werden.