Zum ersten Mal wurde die Karfreitagsprozession 1978 in Bad Cannstatt aufgeführt. Foto: dpa - dpa

Aus organisatorischen Gründen wurde im vergangenen Jahr die Karfreitagsprozession abgesagt, in diesem Jahr findet wieder eine statt – allerdings in einer abgespeckten Form.

Bad CannstattSeit 40 Jahren gehört die Karfreitagsprozession in Bad Cannstatt zur Karwoche wie das Ostereiersuchen zum Ostersonntag. Das Spektakel, seit 1978 von der italienisch-katholischen Kirchengemeinde San Martino in Bad Cannstatt veranstaltet, lockt nicht nur Gemeindemitglieder. Katholiken, Protestanten und Anhänger anderer Glaubensgemeinschaften säumen den Weg. Sie kommen aus Stuttgart und der Region. Doch 2018 wurde die Veranstaltung aus organisatorischen Gründen abgesagt – allerdings nicht für immer. „Angesichts des extrem großen Aufwands, machen wir eine Pause“, sagte damals Padre Daniele Sartori. Und er hat Wort gehalten, in diesem Jahr gibt es wieder eine Prozession. Allerdings nur eine kleine und ohne Schauspieler, die von St. Rupert nach St. Martin führt. Dabei wird gebetet und man liest Bibeltexte auf Italienisch. Start ist um 15 Uhr in St. Rupert in der Koblenzer Straße 19).

„Wir hoffen, dass wir einen Weg finden, die große Karfreitagsprozession weiterleben zu lassen“, sagt Pater Daniele Sartori. Die 70 Darsteller stehen bereit. Die italienischen Gemeinden suchen deshalb nach einem Regisseur mit Sinn für Religion, der daran mitwirkt, die aus Süditalien nach Stuttgart mitgebrachte Tradition zu erhalten.

In den 1970er Jahren haben die italienischen Katholiken erstmals die Passionsgeschichte rund um den Kurpark aufgeführt und auf diese Weise ein Stück ihrer alten Heimat nach Stuttgart geholt. „In Süditalien hat jedes Dorf seine Karfreitagsprozession, an der das ganze Dorf mitwirkt“, erzählt Sartori. Auch in Bad Cannstatt ist aus der kleinen Prozession mit anfangs mit einer Handvoll Darsteller, die mit dem letzten Abendmahl Jesu mit seinen Jüngern beginnt und bis zur Kreuzigung führt, bald ein größeres liturgisches Schauspiel geworden. Zuletzt haben hundert Frauen, Männer und Kinder als Darsteller oder Helfer mitgewirkt. Sie haben den unteren Kurpark in den Garten Gethsemane, den Hof des Johannes-Kepler-Gymnasiums in den Palast des Pontius Pilatus und den oberen Kurpark in den Ölberg verwandelt.

40 Jahre lang haben die italienischen Katholiken die Prozession alleine auf die Beine gestellt, kamen Schauspieler und Regisseur aus ihren vier Stuttgarter Gemeinden. Seitdem sich der langjährige Regisseur altershalber verabschiedet hat, sind sie auf der Suche nach einem Nachfolger. „Wir haben in unseren Gemeinden niemand mehr, der diese Aufgabe übernehmen kann“, sagt Pater Daniele. Aber vielleicht finde sich ja an anderer Stelle jemand, der sich auf diese lebende Passion einlassen möchte. „Wir hoffen darauf, dass wir die Prozession wieder aufleben lassen können. Wir brauchen einen Regisseur mit Sinn für Religion und italienische Traditionen“, so Daniele. Denn das Ziel der Inszenierung der „Via Dolorosa“ sei klar: „Wir möchten mit der Prozession den Menschen den Glauben an die Auferstehung Jesu nahebringen. Es ist nicht nur ein Theaterstück, sondern ein Zeugnis des Glaubens.“ Die Offenheit für Veränderungen sei da, auch wenn die Geschichte vorgegeben sei und es theologische Grenzen gebe.

Die ein oder andere Veränderung gab es auch in den vergangenen 40 Jahren: Redeten die Laiendarsteller in den ersten Jahren nur Italienisch, so kamen angesichts der vielen deutschen Zuschauer irgendwann auch deutsche Textpassagen und Kommentare hinzu. In einem Jahr bekamen fragende Kinder eine tragende Rolle, dann wieder wurden einzelne Szenen abgewandelt oder die Wegstrecke geändert. Geprobt wurde in den vergangenen Jahren vor allem in der Fastenzeit, mit den Texten beschäftigt hatten sich die Schauspieler immer bereits im Oktober und November. „Es gab viele bewegende Momente“, erinnert sich Pater Daniele.

Solange kein Regisseur gefunden ist, bleiben die Kostüme und das 30 Kilogramm schwere Kreuz eingelagert und die Gemeinde lädt lediglich zu einer kleinen Prozession von St. Rupert nach St. Martin. Anstelle des liturgischen Spiels werden biblische Texte gelesen, wird gesungen und gebetet, diesmal wieder alles auf Italienischuli/nh