(if) - Nicht jeder Schüler liest gerne. Dem wollen die Lehrer Stefan Lempp und Judith Jany an der Jörg-Ratgeb-Schule mit einem besonderen Projekt entgegenwirken. „Es klappt“, wie Lempp feststellt. Er freut sich, wie gut es funktioniert und er stellt fest, wie sich beispielsweise am Schwarzen Brett des Klassenzimmers der 6.2 eine kleine Traube von Schülern bildet. Alle schauen auf den neuen Zwischenstand. Schüler Yona freut sich, er liegt vor seinem Freunde Finn. Ein Junge, der in die sechste Klasse geht und das Buch sogar zweimal liest. „Wie ist das möglich?“, fragt Lempp und erklärt es gleich mit dem neuen Leseförderungsprojekt, das neue Wege geht.

Über das ganze Jahr verteilt werden den Schülern einer Klasse zehn Bücher vorgelesen, meist Jugendromane. Zu Beginn des Lesezeitraums liest ein Lehrer den Beginn eines Romans vor und steigert so die Spannung und Neugier auf das Buch. Danach wird die Lektüre den Schülern ausgeteilt und alle haben vier bis fünf Wochen Zeit, das Buch zu lesen. Am Ende gibt es ein Lesequiz mit Punkten als Belohnung. Das Problem mit dem Lesen bei Jugendlichen hat zuletzt auch die PISA-Studie aufgedeckt, die gezeigt hat, dass der Anteil der Jugendlichen in Deutschland, der gerne und zum Vergnügen liest, deutlich unter dem vieler anderer Industrienationen liegt. Als Ursache wird überlegt, ob es am Überangebot anderer, elektronischer Medien liegt. Es fehlt also an der Lesekompetenz.

Neben der ausgeprägten allgemeinen Leseunlust von Deutschlands Jugendlichen ist außerdem festzustellen, dass diese Erscheinung offensichtlich Jungen deutlich stärker betrifft als Mädchen: Jungen lesen deutlich weniger als Mädchen. Dies hat natürlich auch messbare Konsequenzen in Bezug auf die Lesekompetenz: Die Kompetenz, Texte zu erfassen und zu verstehen, liegt bei Mädchen deutlich höher als bei Jungen. „Das Leseprojekt ist als ganzjähriges, unbenotetes Angebot mit Wettbewerbscharakter für jeweils eine Klasse gedacht“, beschreibt es Lempp. „Die Teilnahme am Leseprojekt soll freiwillig sein, deshalb haben wir uns bewusst dafür entschieden, keine Noten zu geben. Die Schülerinnen und Schüler sollen nicht für die Schule und den Unterricht lesen, sie dürfen und können das Lesen für sich entdecken. Wir haben dann eine Ausnahme gemacht, wenn ein einzelnes Buch Gegenstand einer Unterrichtseinheit war“, sagt er.

Ganzjährig heißt, dass die neun Bücher auf neun Zeiträume im Schuljahr verteilt werden. Für jedes Buch bleiben drei, vier Wochen Lesezeit. Auch soll nicht gleich mit dem schwierigsten Buch begonnen werden. Gelesen werden unterschiedlichste Bücher: Antike Sagen wie „Die schönsten Sagen des klassischen Altertums“, Historisches über Rom wie etwa von Fabian Lenk „Zeitdetektive/Die Brandstifter von Rom. Auch Alltagsromane zu den Themen Flucht, Mobbing, Familie gibt es und Abenteuer mit Mark Twain und Jules Verne bis hin zu Sachbüchern.

Alle Schüler der Klassenstufe 6 des Gymnasiums machen mit. „Wir wollen über das Projekt informieren, Spenden haben wir schon“, sagt Lempp. Wie sie es schaffen, die Schüler zum Lesen zu bringen? „Durch den ganzjährigen Wettbewerb. Lektüren werden immer für vier Wochen ausgeteilt, ohne Thema im Unterricht zu sein“, so Lempp. Ein Lesequiz gibt es am Ende jeden Zeitraums. „Der Wettbewerbscharakter spricht vor allem Jungs an“, sagt der Lehrer. Aus den Quizrunden werden immer Zwischenstände erstellt ohne Noten. Das kommt bei den Schülern offensichtlich an. Ein Vorbild für andere Schulen könne es sein, sagt Lempp. Das Projekt wird eventuell auf die ganze Schule ausgeweitet, also auch auf die Realschule ausgedehnt. Was verändert das Lesen seiner Meinung nach bei den Schülern? „Es wird wieder über Literatur diskutiert, das Lesen ist wieder Teil des Alltags der Kinder, nimmt einen Teil des Medienkonsums ein. Die Lesekompetenz nimmt mit Sicherheit zu“, ist sich Lempp sicher. Wichtig sind den begleitenden Lehrern, dass nicht nur Romane gelesen werden, sondern ein breites Spektrum an Themen abgedeckt wird. Geholfen hat auch eine Anschubfinanzierung über Sponsoren von 3000 Euro.