Klaus Wanninger. Foto: Wanninger Quelle: Unbekannt

Klaus Wanninger hat wieder einen neuen Krimi geschrieben: Schwaben-Fest. Er spielt auch auf dem Volksfest. Im Gespräch erklärt er die Hintergründe seiner Buchidee.

Nächstes Jahr wird das Volksfest 200 Jahre alt, einer der Auslöser für Sie, diesen Ort für Ihren neuen Krimi zu wählen?

Wanninger: Genau. Heute geht es uns materiell sehr gut, sehr viele Menschen genießen bei uns soziale Sicherheit und hohen Lebensstandard. Vor 200 Jahren dagegen kämpfte der Großteil der Bevölkerung ums nackte Überleben. Wochenlange Ausbrüche des Vulkans Tambora in Indonesien reicherten die Lufthülle der Nordhalbkugel der Erde mit dicken Staubwolken an. Die Menge der solaren Strahlung in die Atmosphäre wurde so erheblich reduziert, dass das Pflanzenwachstum drastisch zurückging. Jahrelange katastrophale Missernten und Hungersnöte waren die Folge - ein deutlicher Hinweis darauf, in welch eklatantem Ausmaß wir von einer Veränderung des Klimas abhängig sind. Württemberg mit den kargen Böden der Alb war davon besonders betroffen, es wurde zum Armenhaus Deutschlands. Auswanderungswellen nach Russland und Amerika forderten unzählige Todesopfer. In dieser Situation wollte das damalige württembergische Königspaar Wilhelm I. und seine Frau Katharina den Menschen mit einer landwirtschaftlichen Ausstellung neuen Mut und Hoffnung zusprechen: Bald wird es allen wieder besser gehen. So wurde das Volksfest geboren.

In Ihrem Buch wird dort ein Toter auf dem Wasen gefunden. Eine spannende Szenerie für einen Krimi. Was hat Sie gereizt, das Volksfest hier als Ort zu verankern?

Wanninger: Das Volksfest steht symbolisch für Ausgelassenheit und Lebensfreude. Die Besucher erhoffen sich sorgenfreie Stunden, ob in den Zelten oder drum herum. Alkohol fließt in Strömen, fetzige Rhythmen verschiedener Kapellen heizen den Leuten ein. Niemand ist darauf vorbereitet, dass ausgerechnet in dieser Umgebung etwas Schreckliches passiert - die ideale Situation für einen Krimi.

Welche Rolle spielt in diesem Krimi die Grabkapelle, an der ja schon einmal ein Krimi von Ihnen spielte?

Wanninger: Die Grabkapelle ist für mich eine der beeindruckendsten landschaftlichen Szenerien im ganzen Land. Ganz nah an der Stadt, an Industrie und Verkehrsrouten und doch wie abgehoben in einer anderen Welt. Wir werden überflutet mit den schönsten Sehenswürdigkeiten aus aller Herren Län-der und vergessen oft, welch einzigartig überwältigende Panoramen wir direkt in unmittelbarer Nähe haben. Die Grabkapelle verdient weit größere Beachtung als ihr heute zukommt. Und auch der historische Hintergrund ist interessant: Der württembergischen Königin Katharina waren nur wenige Lebensjahre geschenkt. Doch in der kurzen Zeit half sie mit der Gründung zahlreicher Wohltätigkeitsorganisationen, teilweise mit eigenem, aus Russland geerbtem Geld, zukünftiger Not im verarmten Land entscheidend vorzubeugen. Fünf Jahre nach ihrem frühen Tod ließ Wilhelm I. ihr dann auf dem Berg, der dem Land seinen Namen gab, die Grabkapelle errichten. Unter großer Anteilnahme der Bevölkerung wurde sie 1824 dort beigesetzt. Steffen Braig, mein Kommissar, ist auch in meinem neuen Krimi wieder im Umfeld der Grabkapelle unterwegs - ganz bewusst, ich möchte möglichst viele Menschen auf diesen wunderbaren Ort aufmerksam machen.

Und im Cannstatter Zuhause des

ermittelnden Kommissars gibt es

Veränderungen, neue Nachbarn.

Wie kommen Sie auf diese Ideen?

Wanninger: Ich möchte meine Romanfiguren, allen voran die Kommissare möglichst realistisch darstellen. Dazu gehören auch die erfreulichen und weniger erfreulichen Dinge des Alltags, die jedem von uns zu schaffen machen. Kaum fühlt Steffen Braig sich mitsamt seiner Familie bei seinem neuen Vermieter in der Nähe des Cannstatter Kurparks so richtig wohl, da zieht ausgerechnet sein beruflicher Alptraum in die Nähe. Kaum läuft‘s gut, da muss wieder dies oder das passieren. So gehts doch zu im Leben, oder?

Was möchten Sie mit dem Krimi bewirken? Sie greifen hier das Thema „Menschenschinder“ auf, das sich auf einem Zettel bei dem Toten findet, warum?

Wanninger: Meine Nichte brach vor wenigen Jahren ihr Medizinstudium im 8. Semester ab - aus genau den Erfahrungen heraus, die ich im Buch schildere. Ihre traumatisierenden Erlebnisse veranlassten mich, das Thema aufzugreifen. Für mich ist nach wie vor unfassbar, dass Menschen so miteinander umgehen können, gerade in Situationen, in denen es um Leben und Tod geht.

Wie lange haben Sie am „Schwa

ben-Fest“ geschrieben?

Wanninger: Ich habe etwa zwölf Monate intensiv an dem neuen Buch gearbeitet. Die Handlung hatte ich vorher bereits im Kopf. Während des Schreibens war ich dann immer wieder an den Orten unterwegs, die im Krimi auftauchen.

Sie sind Religionslehrer, was be-

deutet das Krimi-Schreiben für Sie?

Wanninger: Sehr viele Probleme, die uns das Leben schwer machen, werden von Menschen verursacht. Die Strukturen unserer Gesellschaft sind darauf ausgerichtet, den Interessen Einzelner Vorrang vor dem Gemeinwohl zu geben. Das zeigt sich ganz deutlich am Zustand unserer Städte. Lärmerfüllte, von Hektik geprägte Straßen - wohin man auch kommt. Stuttgart ist in extremem Ausmaß davon betroffen. Daran sind nicht allein die Politiker schuld. Rücksichtslosigkeit gehört inzwischen zum normalen Alltagsverhalten. Das möchte ich mit meinen Krimis auch zum Ausdruck bringen.

Schreiben Sie schon wieder am

nächsten Krimi?

Wanninger: Der nächste Krimi wird mein 20. Schwaben-Krimi. Für mich ein ganz besonderes Jubiläum. Ich habe im Moment drei verschiedene Plots im Kopf und ich bin mir noch nicht sicher, welchen ich für das Jubiläums-Buch wählen soll. Ein harter Krimi oder eher ein heitereres Buch? Gleich, wie ich mich entscheide, Steffen Braig wohnt trotz des neuen Nachbarn weiterhin in Bad Cannstatt. Ihm die angenehme Atmosphäre am Kurpark zu vermiesen, schafft nicht einmal ein Söderhofer.

Das Gespräch führte Iris Frey