Olaf Schulze, Carmen Jud, Hans Betsch, Stefan Betsch und Dekan Eckart Schultz-Berg (von links) in der Ausstellung über die Badekultur, hier im Bereich des Hotelzimmers Herrmann bei der Eröffnung des Kulturmenüs. Fotos: Frey Quelle: Unbekannt

Von Iris Frey

Baden verbindet. In Bad Cannstatt ganz besonders. Das zeigt die kulturhistorische Ausstellung, die beim neunten Cannstatter Kulturmenü mit rund 120 Besuchern in der Stadtmühle des Evangelischen Vereins eröffnet wurde. Die Ausstellung zeigt die badekulturelle Entwicklung Cannstatts samt ihrer berühmten „Kurlisten“: Kaiser, Könige und Literaten. Gleich zu Beginn zu sehen: das jubelnde Volk und König Wilhelm und Katharina, zwar kopflos, dafür in entsprechendem Gewand. Daneben Cannstatter Trachten. Und der große Bahnhof 1840 für alle Kurlisten.

Wo residierten sie? Beispielsweise im Hotel Herrmann, eine Abteilung weiter in der reichhaltig und anschaulich bestückten Ausstellung: Hier das Zimmer 117, wie Carmen Jud vom Evangelischen Verein zeigt. Sogar den Schlüssel vom Hotel Herrmann gibt es noch. Ankleide, Musik und Theaterprogramme. 1840 eröffnete das Wilhelmatheater, gefördert von König Wilhelm. Oper, Operette, Ballettvorstellungen gab es. Und im Badgarten die Reunion mit Konzerten. Programme sind zu sehen, aber auch Namen und Geschichten: Die Cannstatter „Kurlisten“, also jene, die an Kuren teilnahmen, dazu zählten Honoré de Balzac, Berthold Auerbach, 1910 Paul Heyse, der Literaturnobelpreisträger ,und Kaiser Napoleon II von Frankreich, Königin Sophia der Niederlande und König Ludwig I. von Bayern. 1852 zählte das Hotel Herrmann, das dort stand, wo heute das Krankenhaus vom Roten Kreuz ist, 600 Bäder und 1855 10 000 Bäder. Heil-, Trink- und Badekulturen hatten Aufwind. Auch das Hotel Wilhelmsbad war beliebt, das dort stand, wo heute die Brunnenrealschule ist. Doch erst in der Zeit des Nationalsozialismus wurde aus Cannstatt Bad Cannstatt, 1933 wurde der Titel verliehen.

Die reichhaltige Geschichte des Mineralwassers, der Badekultur, dem „Quell ewigen Lebens“, wie es Eckart Schultz-Berg bei der Eröffnung bezeichnete, ist in der Stadtmühle zu erleben. So dankte auch Sabine Blank, Geschäftsführerin des Evangelischen Vereins, allen Unterstützern der Schau: Hans Betsch, Stefan Betsch, Jörg Hucklenbroich, Olaf Schulze und Camen Jud. Hans Betsch erinnerte an die Anfänge 1773, als nach der Quelle gebohrt wurde, in der man zunächst einen hohen Salzgehalt vermutete. Ein Quellen-ABC informiert ebenso wie alte Stadtpläne von der Entwicklung. Olaf Schulze und Carmen Jud gaben bei der Eröffnung ein Stelldichein aus dem Neuen Tagblatt von 1847, einen lustigen Ehe-Dialog. Jud las zudem eine Schwimmlebensgeschichte vor. Baden lässt sich in der Ausstellung bis ins 20. Jahrhundert nicht nur in der ausgestellten Bademode erleben, auch in Kunstobjekten, wie das Modell des Delphins von Fritz von Graevenitz vom Untertürkheimer Inselbad. Graevenitz hat auch den Erbsenbrunnen gestaltet. Auch Cannstatter Vereine präsentieren ihre Geschichte in der Ausstellung, wie der Mombach Schwimmverein. Viele historische Gegenstände illustrieren die Geschichte, auch eine gusseiserne, alte Badewanne in der einstigen orthopädischen Klinik von Dr. Ebner. Und natürlich ist Cannstatt auch wirtschaftlich erblüht: Hutmacher, Handschuhe, Taschen und Zwicker aus Cannstatter Geschäften und Produktion erzählen davon. Wie es zu Zeiten des Hochadels aussah, das zeigten die Frauen vom „Hochadel 1860 von Württemberg“ in historischen Gewändern mit Petra Spindler eindrucksvoll.

Die Ausstellung beim Evangelischen Verein in der Stadtmühle ist noch bis zum 23. Juli zu folgenden Zeiten zu sehen: Mittwoch, Samstag und Sonntag von 14 bis 18 Uhr, auch beim Sommerfest am 22. Juli. Eintritt ist frei.

Folgende Vorträge gibt es in der Brunnenstraße 57: 12. Juli: „Bad Cannstatt und sein Sauerwasser “, 15 Uhr. 19. Juli: „Mit Dr. Theodor Veiel auf den Spuren einer bekannten Cannstatter Hautarztdynastie“, 15 Uhr.

Thematische Führungen gibt es am 15. Juli in der Überkinger Straße 19: „Wie aus Cannstatt Bad Cannstatt wurde - Die Pläne u. Projekte der Nationalsozialisten“, 15 Uhr. 16. Juli: „Wie aus der Badestadt Cannstatt eine Industriestadt mit Badekultur wurde. 1850 bis 1900“, 15 Uhr. 21. Juli: „Mit dem Koffer unterwegs - Cannstatt aus der Sicht eines Kurgasts im 19. Jahrhundert.“, 15.30 Uhr. 21. Juli: „Über Schick und Schicklichkeit“, Beginn ist um 15 Uhr.