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In Stuttgart gibt es für Bands, die kleine Konzertorte suchen, wenig Möglichkeiten. Die Jugendhäuser bilden eine Chance.

Bad CannstattStuttgart ist vielleicht viel schöner als Berlin – in Sachen Livemusik kann man der Hauptstadt jedoch nicht das Wasser reichen. Die Wagenhallen sind nun zwar frisch saniert, aber Konzerte finden dennoch kaum statt, das Schicksal des Kellerklubs ist immer noch ungewiss, Institutionen wie die Röhre mussten Bauvorhaben weichen. Irgendwie läuft es nicht so rund. Das befindet auch Jens Maurer vom Club Zentral. „Im bundesweiten Vergleich hinken wir hinterher“, auch weil die Stadt zur Zeit „scheinbar kein Interesse an Förderung hat“.

Mirjam Aichele vom Music Circus sieht vor allem ein Problem: „Die Veranstaltungsorte für die ganz kleinen Konzerte fehlen. Shows in einer so kleinen Größenordnung zu veranstalten, ist für die privat geführten Clubs wirtschaftlicher Unsinn.“

Gerade deshalb vielleicht scheint nun die Stunde der Jugendhäuser geschlagen zu haben. Ob Club Zentral, JH Hallschlag oder der clubCANN in Cannstatt, von der Stuttgarter Konzertlandschaft sind sie inzwischen nicht mehr wegzudenken. Und alle spielen bei ihnen, ob Nischen-Metalband oder Popsternchen. Für Jens Maurer lässt sich der Erfolg unter anderem daran erklären, dass „die Jugendhäuser es beim Veranstalten von Konzerten einfacher haben“. Durch die staatliche Unterstützung und andere Erleichterungen wie Mietfreiheit muss man sich keinem wirtschaftlichen Risiko stellen. „Ein Abend mit nur 20 zahlenden Gästen ist für uns keine Vollkatastrophe“. In den letzten Jahren ist auch „einiges an professionellem Know-How in der Form von neuen Mitarbeitern in die Jugendhäuser gekommen“. Das erst macht natürlich einen richtigen Konzertbetrieb möglich. Aber vielleicht der wichtigste Punkt, der die Arbeit der Jugendhäuser so erfolgreich macht: „Jeder kann spielen, sowohl Profi als auch Anfänger.“ Das wäre für einen normalen Club einfach nicht möglich.

Darko Veric vom clubCANN sieht das ähnlich. „Die Betreiber brauchen die kleinen Clubs und die Jugendhäuser fangen genau das auf. Ohne Orte wie den clubCann könnten manche Veranstalter ihre Konzerte nicht mehr machen.“ Damit erweist das Jugendhaus CANN dem Konzertstandort Stuttgart einen großen Dienst. Und nutzt seine Vorteile voll aus: Ehrenamtliche kümmern sich um Foodservice und Getränkeausschank, eine Jugendherberge zur Unterbringung der Acts ist auch gleich im Nebengebäude. Dennoch: „Manche Künstler wollen nicht in einem Jugendhaus spielen. Die wollen immer noch lieber die Atmosphäre, die in so einem kleinen, verratzten Club existiert.“, erzählt Veric. Doch warum haben es solche Läden eigentlich so schwer in Stuttgart? „Die Stadt ist in dieser Hinsicht zu konservativ“, meint Stefan Kraft vom Kulturbüro Sorglos, seines Zeichens selbst Veranstalter. „Nicht nur fehlen Räumlichkeiten, auch die Toleranz gegenüber solchen Veranstaltungen ist einfach nicht gegeben. Zudem bekommt man als Veranstalter nicht unbedingt das Gefühl, dass die Stadt ein wirkliches Interesse an einer florierenden Konzertszene in der Innenstadt hat.“ Die Folge: „Die Veranstaltungsorte fangen an, abzuwandern. Die Manufaktur in Schorndorf ist ein gutes Beispiel dafür.“

Doch das ist nicht das einzige Probleme in der Landeshauptstadt. „In Stuttgart fehlt es auch an Infrastruktur: Es gibt kaum große Studios zum aufnehmen und vor allem: keine der großen Bookingfirmen sitzt in Stuttgart.“ Das zieht vor allem die aufkommenden, jungen Künstler aus der Stadt weg und erschwert natürlich den Szeneaufbau. Trotzdem: „Wir brauchen uns nicht verstecken“ meint Jens Maurer. Neue Bands und Künstler aus Stuttgart, das gibt es immer noch und das wird es auch weiterhin geben. Auch Darko Veric und Stefan Kraft sehen das so. Dennoch: „Man muss sich auch hier die Frage stellen: Wer übernimmt die Aufgabe der Szeneförderung? In Hamburg beispielsweise werden Musikproduktionen von der Stadt gefördert. Das gibt es in Stuttgart nicht. Und es kann auch nicht alles an den Jugendhäusern hängen bleiben.“, sagt Veric. Was vor allem wichtig für den Stuttgarter Musikbetrieb wäre: „Wir brauchen mehr Proberäume. Gerade sind die im Cann an allen Tagen belegt. Aber es muss auch möglich sein, dass eine Band an mehreren Tagen hintereinander proben kann.“

Stefan Kraft fasst das Grundproblem noch einmal einfach zusammen: „Die Stadt muss sich entscheiden: Will sie einen richtigen Konzertstandort haben oder nicht? Sollte sie das wollen, fehlt es noch an Signalen und Engagement.“

Bei all der Kritik muss sich die Landeshauptstadt aber auch nicht kleiner machen als sie ist. Acts wie Juse Ju Sickless oder Eau Rouge zeigen, dass in der einstmaligen Mutterstadt des Hip-Hops immer noch einiges an musikalischem Talent steckt. Und Bands wie Rikas oder auch die Nerven stehen gerade in den Startlöchern auf dem Weg zu erfolgreichen Karrieren. Das bei den Nerven allerdings schon zwei Drittel der Band in Berlin leben, erscheint ein wenig symptomatisch. Wie gesagt, nicht alles läuft in Sachen Livemusik rund in Stuttgart. Möglichkeiten und Wege gibt es dennoch auch hier.