Frank Metzger (li.) und Gerold Reutter zeigen ihre Werke zum Thema „Auf der Flucht“ im Historischen Rathaus. Foto: Frey Quelle: Unbekannt

Von Iris Frey

Im Historischen Rathaus gibt es eine neue Ausstellung. Unter dem Motto „Auf der Flucht“ zeigen folgende Künstler ihre Werke: Gerold Reutter (93) und Frank Metzger (87). Beide Künstler haben selbst das Thema erlebt und nehmen aber auch zu den verschiedenen Themen der Flucht Stellung in ihren Werken.

„Natürlich ist das Thema ,Auf der Flucht‘ mehr als nur tagesaktuell. Natürlich müssen wir registrieren, dass sich eine Völkerwanderung darstellt, die verursacht wurde durch eine verfehlte Politik, die sich auch im Klimawandel darstellt, sodass Menschen gezwungen sind, ihre Heimat zu verlassen, einfach um zu überleben“, stellt Kurator und Vorsitzender des Kunsthöfle, Professor Helge Bathelt fest. „Die Länder aber, die für diese Entwicklung in der Mitverantwortung stehen und von ihr profitiert haben, zeigen sich weder aufnahmebereit noch dazu in der Lage, zu Verbesserungen beizutragen“, so Bathelt. In Syrien beispielsweise versage die Weltgemeinschaft völlig, sagt der Vereinsvorsitzende.

Gerold Reutter beginnt seine Bildfolge mit einem Großformat von 1998 zum Thema „Klimawandel“. Das Bild ist in Ölfarben gemalt. Es deutet auf den Klimawandel als Fluchtursache mit Dürre, Hunger, Überschwemmungen hin. Es zeigt Sonne und Mond in der Apokalypse, wenn sich die Himmelskörper bewegen. Die Sonne verliert ihren Schein und die Farben werden anders, ähnlich wie bei der Mondfinsternis 1998. „Die Erde ist stillgestanden, es war eine beklemmende Stille“, erinnert sich Reutter. Der Diakon i.R., Jahrgang 1924, hat in seinen 93 Jahren sehr viel erlebt. In Wernau geboren, war er als Jugendlicher beim Militär und fünf Jahre in russischer Gefangenschaft. Wie durch ein Wunder kam er zurück. Er hat erlebt, wie es ist, zu fliehen. „Die Russen waren damals in größter Ohnmacht über die Masse der Gefangenen“, erinnert er sich.

Das Thema Flucht hat er bewusst ins Kleinformat gelegt, Tusche-Zeichnungen, die alle aus dem letzten halben Jahr stammen. Sie zeigen den Menschen in der Landschaft, die den Baum oft als Orientierung nutzen. Die Nacht, dunkle Grenzen, Zäune, versinkende Menschen im Meer, umflutet, oben kleine Kreuze. „Die Fluchtursachen liegen in den Ländern, aus denen geflohen wird, dort muss zuerst geholfen werden, damit die Menschen ihre Wurzeln nicht verlieren“, sagt Reutter. Leere gestrandete Schiffe, eine Allee, die Begrenztheit durch die Natur, durch Zäune, werden spürbar in den Kleinformaten. Licht liefert ihm der Glaube an Gott in Bildern wie „Nacht“ oder „Unendlicher Weg“. „Seit Jahrtausenden sind Menschen auf der Flucht“, stellt Reutter fest und weist darauf hin, dass die Bibel, besonders das Alte Testament viele Fluchtgeschichten enthält.

Die Flüchtenden suchen Schutz vor Unterdrückern, Ausbeutern und vor verantwortungslosen Machtcliquen. Flüchtende begeben sich auf die Reise ins Ungewisse. Sie erleben vielfältige Ängste auf dem Land und auf dem Meer. „Nach großen Gefahren angekommen, mit der Erfahrung von Sterben und Tod, sehnen sie sich nach Frieden und Freiheit“, so Reutter.

„Die Bilder drücken die Stimmung von Dunkelheit, Vergitterung und das Wohin, sowie Wege der Erfüllung des Lebens aus. Sie wollen auch ein Zeugnis von der führenden Liebe Gottes geben. Der Mensch ist dort ganz Mensch, wo er integriert und angenommen wird“, sagt Reutter.

Der Künstler hat an der Universität Stuttgart Architektur studiert und malt seit den siebziger Jahren. Er blickt auf Ausstellungen auch in Amerika und Japan und ist seit einigen Jahren Mitglied im Verein der Galerie Kunsthöfle in Bad Cannstatt.

Metzger hat für die Werkschau ein Konzept entworfen und dieses Konzept in einer geschlossenen Bildfolge realisiert. Es geht um Flucht, Realität und Realitätsflucht. Er konzentriert sich mehr auf die symbolischen Bezüge und zeigt aber auch Scribble-Arbeiten mit ikonischen Bezügen. Er formuliert Fluchtzeichen mit syntaktischen Mitteln und Assoziationen und Metaphern zu visuellen Abläufen.

Zwei Serien hat er geschaffen: artikulierende Farbklangfolgen. Um eine vertikale Mittelachse gruppieren sich Farbstimmungen von dicht zu licht, von düster zu hell, bedrohlich zu hoffnungsvoll. In Serie zwei entstehen durch Farbbahnen (rolling inks) übersteuerte, horizontale und vertikale Bewegungen als Spannungs- und Variationsfeld. Pragmatische Bezüge liefert die Schrift als Typogramm, Wortbildzeichen als Auf-Bruch und Schnittelement als Farbzeichen, Schwebezeichen oder Objektinszenierung. Kleine Formate zeigen Beispiele aus Scribble-Serien zum Thema Flucht, auf der Flucht, Zuflucht.

Metzger lebt in Stuttgart. Er ist gelernter Maler, Grafiker und Designer. Auch er hat die Flucht erlebt, wurde ausgebombt und kam als Gymnasiast nach Biberach in die Kinderlandverschickung. Dort erlebte er Jagdbomber bei der Kartoffelernte. In der Ausstellung zeigt er die vielen Arten der Flucht, auch die spirituellen Aspekte.

Die Ausstellung „Auf der Flucht“ mit den Werken von Gerold Reutter und Frank Metzger ist bis zum 27. März im Historischen Rathaus am Marktplatz in Bad Cannstatt zu deren regulären Öffnungszeiten.