Hannes Steinert (links) und Thomas Niecke zeigten in der Galerie Keim verschiedene Druckkunstwerke. Quelle: Unbekannt

Das zehnte Kulturmenü war am Samstag ein Erfolg. Besucher strömten den ganzen Tag über zu den Konzerten, Kabarettaufführungen, in Galerien und zu Führungen durch die Museen.

Bad CannstattLängst ist das Cannstatter Kulturmenü dafür bekannt, dass es bei heißen Temperaturen stattfindet. Beim zehnten Mal lockten am Samstag mehr als 30 Veranstaltungen bei bis zu 34 Grad. Da war Kühle angenehm, etwa in der spannenden und schön gestalteten Ausstellung der Stadtansichten Cannstatts in der Stadtmühle des Evangelischen Vereins. Dort führte Stefan Betsch die Interessierten durch die Gemäldeausstellung mit fast 200 Werken und erzählte die Geschichten, die dahinter stecken. Etwa vom Klösterle, welches dort noch vor der Rettung gezeigt wird. Eine Cannstatterin kannte das Klösterle noch aus dieser Zeit. Oder über die Wilhelma und mit welcher Hartnäckigkeit und Ideen der damalige Direktor Albert Schöchle, das Schlitzohr, daraus einen Zoo mit Tieren machte und sogar damals ein Krokodil mit seinem Auto aus Karlsruhe transportierte.

Indes gab es in der Stadtkirche einen angenehmen Ruhepunkt mit Dekan Eckart Schultz-Berg. Frisch von seinem Studium von der Universität Greifswald zurückgekehrt, hielt er an seinem Geburtstag die Marktandacht in der Stadtkirche. Und nach der Andacht gab es teils erstaunte Blicke: Auf dem Marktplatz war eine Tischtafel aufgebaut, eine Performance mit Cindy Cordt. Sie saß im Schneidersitz auf dem Tisch, nähte an ihrem T-Shirt, Studierende der Kunstakademie saßen drum herum, aßen Ananas und feilten an Ananasfrüchten.

Fans gedruckter Kunst erfreuten sich in der Galerie Keim. Dort war Künstler Hannes Steinert vor Ort und erklärte verschiedene Drucktechniken, die auch verschiedenen Künstlern wie HAP Grieshaber und Pablo Picasso seinen Werken gegenüber gestellt waren. Er erklärte die Technik mit der „verlorenen Platte“, in der vom Motiv immer mehr auf der Platte weggeschnitten wird. Steinert arbeitet seit 40 Jahren in der Kunst und weiß: „Man muss lernen, loszulassen.“ Er hat das in der Druckkunst gelernt.

Offiziell wurde das Kulturmenü dann vor dem Klösterle von Bezirksvorsteher Bernd-Marcel Löffler und Kulturmenü-Macher Horst Merkle eröffnet. Auch Löfflers ungarischer Kollege aus Ujbuda war anwesend. Löffler gratulierte zur zehnten Veranstaltung und nannte das Kulturmenü eine „Erfolgsgeschichte“. Merkle dankte allen Förderern samt Bezirksbeirat, bevor Klaus Birk mit seinem „Best of Stuttgart“ ironisch-witzige Einblicke in die schwäbische Seele gab. Den VfB-Schal hatte er nur in der Tüte dabei, der bleibe dort vorerst, der VfB müsse es sich wieder verdienen, so Birk. Viele Lacher erzielte er bei seinen Schwaben-Episoden: „Mr hot’s, aber mr zeigt’s net“, ähnlich sei es mit dem Bahnhof. Die aberwitzige Eidechsen-Umsiedlung stellte er vor. Überhaupt, Tierisches kam an: Seine Geschichten um den Amazonas-Papagei, der auch am Stadion sei und dort samstagabends über den VfB lache. Auch die neue Busspur des X1 als Fluchtweg für die Eidechsen erheiterte das Publikum wie auch seine absurden Begegnungen mit Fans.

Apropos Anekdoten. Die gab es auch bei Horst Merkle, der den erkrankten Autor Georg Bahmann in Weine der Welt vertrat. Bahmann war ein Freund von Willy Wiedmann. Merkle erzählte vom Universalgenie Wiedmann, der früher eine Tanzcombo hatte und auch bei den Amerikanern in Stuttgart spielte, etwa mit berühmten Musikern wie Fitzgerald. Fehlen durfte auch nicht die Geschichte von der Ausstellung „Die weiße Stille“ in der Galerie Wiedmann mit weißen Wänden ohne Bilder, Ruhe und Milch – Wiedmann der Performance-Künstler. Von Bahrmann las Merkle drei ironisch-heitere Gedichte, die das Publikum begeistert aufnahmen.

Wiedmann-Fans konnten in der Galerie eine Führung mitmachen. Dort trafen sie Ulrike Engesser. Sie war dabei, als kürzlich der Papst die von Willy Wiedmann gemalte Bibel von dessen Sohn Martin entgegennahm. „Es war einzigartig“, beschrieb sie den Moment in der Audienzkapelle. Der Papst habe sich Zeit gelassen, ausführlich informiert und sich beim Blick auf die Bilder an seine Zeit erinnert, als er noch in Argentinien tätig war. Weitere Galerien hatten beim Kulturmenü geöffnet. Während bei der Galerie Nestel Konzeptkunst vorgestellt wurde, gab es im Architekturbüro Jens Lehmann eine Menschentraube. Hier stellten Studierende der Uni Stuttgart mit Maria Schiller, Viviane Vu und Noah Schröder vier Modelle vor, wie am Wilhelmsplatz ein Kulturzentrum geschaffen werden könnte. Sehenswerte Alternativen. „Auch im Rathaus gibt es bereits Interesse dafür“, so Schiller. Horst Merkle zeigte sich gestern sehr zufrieden mit dem Besucherinteresse auch bei den neuen Orten und den musikalischen Veranstaltungen bis Mitternacht. Seine Erwartungen seien übertroffen worden.