Das Vokalensemble Chorisma Cannstatt beeindruckte mit seinem Konzert in der Cannstatter Liebfrauenkirche mit einer dreifachen Premiere das Publikum und einer besonderen filmischen Collage. Foto: Martin Kneer Quelle: Unbekannt

Von Nico Klausen

Mit gleich drei Premieren überraschte das Vokalensemble Chorisma Cannstatt unter der Leitung von Kirchenmusiker Ulrich Hafner seine Gäste bei der Aufführung des berühmten Rock-Oratoriums „Eversmiling Liberty“ kürzlich in der Liebfrauenkirche in Bad Cannstatt. Eine recht große Herausforderung für alle Sänger, Musiker und Techniker. Und, um es gleich vorweg zu sagen: Das Experiment glückte, das Publikum zeigte sich nach dem Schlussakkord des inzwischen bereits siebten großen Jahreskonzertes von Chorisma Cannstatt beeindruckt und begeistert.

Zu den drei Premieren: Zum ersten Mal wurde „Eversmiling Liberty“ in Bad Cannstatt aufgeführt. Das Werk der beiden dänischen Gegenwarts-Komponisten Jens Johansen und Erling Kullberg aus dem Jahr 1990 schildert die Verzweiflung des Volkes Israel in der Knechtschaft, seine Sehnsucht nach Freiheit und die große Hoffnung, die es in Judas Makkabäus setzt. Die zweite Neuerung: Erstmals in seiner Geschichte gab Chorisma Cannstatt ein sogenanntes „Doppelkonzert“. Aufgrund des großen Besucherandrangs in den vergangenen Jahren hatte das Ensemble „Eversmiling Liberty“ bereits am Sonntagnachmittag aufgeführt, um allen Interessierten zu ermöglichen, das Konzert live miterleben zu können. Die dritte - und allerdings bemerkenswerteste - Premiere war eine filmische Collage, die einzelne Chor-Mitglieder im Vorfeld produziert hatten. Darin setzen sie sich mit den recht ernsten und umstrittenen Themen des Oratoriums - Freiheit und Krieg, Furcht und Verantwortung - künstlerisch auseinander und schildern ungefiltert ihre sehr persönlichen Gefühle. Die Film-Beiträge, konzipiert und dramaturgisch inszeniert von dem Geschwisterpaar Stela und Martin Katic, wurden während des Konzerts in der Kirche auf eine Großleinwand projiziert. Bei der Aufführung von „Eversmiling Liberty“ in der Liebfrauenkirche standen Leben und Taten des biblischen Judas Makkabäus wie unter einem Brennglas im Zentrum der Handlung. Judas, den die Israeliten zu ihrem Anführer im Kampf gegen die Seleukiden erwählten, erscheint musikalisch und filmisch in seiner ganzen inneren Zerrissenheit. Während die Erwartungen an ihn schier grenzenlos sind - sein Volk lechzt nach Unabhängigkeit, Freiheit und Frieden - zweifelt Judas am Gelingen seiner Mission und fürchtet sich vor dem Scheitern und der Niederlage. In dieser schwierigen Auseinander-setzung mit Krieg und Frieden, Hoffnung, Freiheit und Eigenverantwortung verkörperte Chorisma Cannstatt - ähnlich wie in den antiken Dramen - das erwartungsvolle Volk. Unter dem einfühlsamen Dirigat von Chorleiter Ulrich Hafner trug der Chor routiniert, auf hohem musikalischen Niveau und mit gewohnter Souveränität „Eversmiling Liberty“ vor. Ergreifend brachte Chorisma Cannstatt in allen Passagen gesanglich und darstellerisch die turbulente Gefühlswelt des Volkes Israel in dessen existenzieller Krise zum Ausdruck. Dazu trug auch eine durchdachte Choreografie bei, die ebenfalls Stela Katic entwickelt hatte. Gleichzeitig wurde alles, was sich bereits in den vergangenen Chorisma-Konzerten bewährt hatte, beibehalten: Die Mezzosopranistin Sonja Müller-Felkel glänzte wieder einmal mit ihrer gewaltig-rauchigen Stimme im Duett mit dem Chor und in einigen Soli. Während Ulrich Hafner Chorisma Cannstatt am Keyboard begleitete, brillierte Michael Marzini filigran an der Gitarre. Rolf Hartnagel glänzte souverän mit seinem einfühlsamen Bass und Armin Egenter agierte am Schlagzeug wie die Präzision und Zuverlässigkeit in Person.

Damit bewiesen alle Akteure des Konzertes, dass sie das Attribut „Begleitmusiker“ längst hinter sich gelassen haben. Abgerundet wurde das Konzert in der Liebfrauenkirche von Chorisma Cannstatt wieder mit einer ausgefeilten Licht- und Laser-Show unter der Licht-Regie von Thorsten Schlese.