Die illegalen Zäune werden für die Tiere, wie bei diesem Rehkitz am Wangener Berg, zur tödlichen Falle.Archiv Foto: Scheiffele Quelle: Unbekannt

Von Alexander Müller

Das Problem mit wildernden Hunden, die Rehe reißen, ebbt nicht ab. „Es ist nach wie vor eklatant vorhanden“, betont der Rotenberger Jagdpächter Roland Hofrichter. Im vergangenen Jahr fielen in den Oberen Neckarvororten acht Tiere den Angriffen zum Opfer. Die Jäger kritisieren die mangelnde Sorgfaltspflicht der Hundebesitzer, aber auch der Stadtverwaltung hinsichtlich der Kontrolle der illegalen Zäune. Ansonsten könnte die Population langsam ausgerottet werden.

Einen Höhepunkt erlebte die Wilderei von freilaufenden Hunden vor zwei Jahren. Eine derartige Häufung wie damals - in den Jagdrevieren in den Oberen Neckarvororten wurden 15 Tiere getötet - hatten die Jäger noch nicht erlebt. Im vergangenen Jahr fielen den Attacken nunmehr acht Tiere zum Opfer. Und „jeder Fall ist einer zuviel“, sagt Hafenrichter. Er selbst hat erlebt, wie ein junges Rehkitz unmittelbar an der Schranke zum Parkplatz an der Egelseer Heide von einem Tier totgebissen wurde. „Die hilflosen Schreie“ gehen dem erfahrenen Jäger immer noch durch Mark und Bein. Um die Hundebesitzer zu sensibilisieren haben er und sein Mitpächter Ernst Warth ein großes Hinweisschild am beliebten Ausflugsziel aufgestellt, um dafür zu werben, auf die Wildtiere Rücksicht zu nehmen. „In der kommenden Woche werden wir ein Weiteres an der Rotenberger Kelter aufstellen“, sagt Hafenrichter.

Die Einsicht der Hundehalter ist nicht immer gegeben. Zwar hat der Wangener Jagdpächter Jochen Scheiffele eine gewisse Änderung seit der massiven Berichterstattung gespürt, aber „so lange es noch unvernünftige Hundehalter gibt, wird die Wilderei nicht aufhören“. Teilweise Fahren diese mit dem Auto in die Naherholungsgebiete und lassen ihre Tiere „dann einfach laufen“, schüttelt Scheiffele mit dem Kopf. Eine Leinenpflicht besteht bis auf ganz wenige Ausnahmen in den Landschaftsschutzgebieten in Baden-Württemberg nicht. Lediglich der Schwarz- und Rotwildpark gehören zum Beispiel dazu. Somit könne man nur an die Vernunft der Hundebesitzer appellieren. Diesen ist vorgeschrieben, ihre Hunde im unmittelbaren Einwirkungsbereich zu halten. „Das ist rechtlich sehr schwammig“, sagt Scheiffele. Die Jäger dürfen die wildernden Hunde auch nicht abschießen, denn zunächst einmal muss das Tier samt Hundehalter der Polizei vorgeführt werden. Angesichts des Tatbestands der Ordnungswidrigkeit kaum vorstellbar. Die Folge: Acht gerissene Rehe im vergangenen Jahr. „Die Dunkelziffer liegt sicher noch viel höher“, sagt Scheiffeles Pachtkollege Bernhand Reinle.

Die Kritik der Jäger richtet sich dabei aber nicht nur an die Hundehalter, sondern auch an die Stadtverwaltung. Nach dem massiven Fällen vor zwei Jahren hatte sich auch der Gemeinderat mit dem Thema beschäftigt, „Aber das Interesse scheint gering zu sein“, ärgert sich Siegfried Berner. Mehr als sporadische Kontrollen durch den städtischen Vollzugsdienst hat der Uhlbacher Jagdpächter nicht festgestellt. Und auch das Problem der illegalen Zäune in den Landschaftsschutzgebieten wurde nicht konsequent angegangen. Diese bilden für die im Winter in den Gärten äsenden Rehe bei Panik eine tödliche Falle. „Es ist viel Geld für die Umsiedlung von Eidechsen da, aber das Wild ist offenbar nicht von ähnlicher Interesse“, moniert Berner, der auch im Vorstand der Jägervereinigung Stuttgart ist. Wenn die Menschen wollen, dass ihre Kinder noch frei lebende, größere Wildtiere in Stuttgart erleben möchten, „muss die Stadt dem Bau von illegalen Zäunen im Landschaftsschutzgebiet entgegenwirken und auch die Hundebesitzer ihre Lieblinge unter Kontrolle halten“, betont der Berner. Ansonsten könnten bis in zehn Jahren die letzten Rehe ausgestorben sein.

Wer streunende Hunde beobachtet, kann sich an das Polizeirevier Ost, Telefon 8990-3500 wenden.