Manfred Kanzleiter genießt zuhause in Rohracker gerne ruhige Momente. Foto: Hauptmann

Von Elke Hauptmann

Natürlich verfolge er noch immer, was im Stuttgarter Gemeinderat passiert, sagt Manfred Kanzleiter freundlich, aber bestimmt. „Das lässt man nicht bleiben, nur weil man nicht mehr aktiv dabei ist.“ Immerhin hat die Kommunalpolitik lange Zeit sein Leben geprägt: Der gebürtige Ulmer, der durch sein Studium in Stuttgart „hängen blieb“, ist 1972 in die SPD eingetreten. Der Vermessungsingenieur fing 1974 bei der Stadtverwaltung an, war von 1975 bis 1982 als Vorsitzender des Gesamtpersonalrates tätig, anschließend als Verdi-Gewerkschaftssekretär. Ganze 27 Jahre lang (1984 bis 1991 und 1994 bis 2014) gehörte er dem Stadtparlament an, wurde 1996 stellvertretender Fraktionsvorsitzender und 2002 schließlich Chef der SPD-Fraktion.
Fast vier Jahre nach seinem Ausscheiden aus dem Gremium blickt der 73-Jährige entspannt auf diese „sehr intensive Zeit“ zurück: „Ich vermisse das Mandat überhaupt nicht.“ Und nein, beeilt er sich hinzuzufügen, er strebe auch keinerlei Funktionen mehr an. „Mir reicht das, was ich ehrenamtlich mache.“ Manfred Kanzleiter sitzt zum Beispiel im Beirat der Sportkultur Stuttgart und gehört seit mehr als 20 Jahren dem Vorstand der Baugenossenschaft Münster an. Gleichwohl ist er noch immer ein „politischer Mensch“. Einer, der seine Erfahrungen gern an andere weitergibt. Zum Beispiel in der Sozialdemokratischen Gemeinschaft für Kommunalpolitik, einem Zusammenschluss von Kommunalpolitikern in der SPD. Sie sieht sich als Serviceorgan für Parteimitglieder, unterstützt diese mit Beratung und Fortbildung, bietet zum Teil auch selbst Schulungen an. „Wir bereiten gerade eine Reihe von Seminaren vor für all jene, die sich für ein Gemeinderatsmandat interessieren“, berichtet Kanzleiter. 2019 stehen wieder Kommunalwahlen in Stuttgart an.
Wenig Zeit als Pensionär
Auf Reisen und mehr Zeit fürs Lesen hatte sich der dereinst der frischgebackene Ruheständler gefreut. Doch noch immer seien einige Bücher, die ganze Regalreihen im heimischen Wohnzimmer füllen, ungelesen, räumt er ein. Auch als Pensionär ist Manfred Kanzleiter ziemlich eingespannt. Die meiste Zeit verbringt er im Weinberg. „Ja, ich bin Wengerter geworden“, sagt er mit einem glückseligen Lächeln. Rund 25 Ar bewirtschaftet er in der Nähe seines Wohnhauses in Rohracker – vor gut 15 Jahren ist er von Neugereut hierher gezogen.
Auch dieses Hobby verdankt er in gewissem Maße der Politik: „Früher im Gemeinderat waren die Steillagenweinberge mit ihren typischen Trockenmauern ein wichtiges Thema für mich.“ So hatte er sich schon 2010 für den Erhalt der Hohen Halde, der ältesten beurkundeten Weinbaulage im Stadtteil und gleichzeitig ein gesetzlich geschütztes Biotop, starkgemacht. Daraus resultierte das 2014 auf Initiative von SPD und Grünen beschlossene städtische Steillagenförderprogramm.
Zu einem Weinberg sei er durch Zufall gekommen, blickt der Alt-Stadtrat zurück. Bei einer Weinprobe im Jahr 2013 hätten er und seine Frau Lydia ein Ehepaar kennengelernt, das seinen knapp fünf Ar kleinen Wengert in Frauenkopf aus Altersgründen aufgeben wollte. „Wir waren entsetzt darüber, dass der Weinberg gerodet werden sollte.“ Es kam, wie es kommen musste: „Dann macht ihr das doch, haben sie zu uns gesagt. Und wir standen damit vor einer schwierigen Entscheidung.“ Bereut hat er sie nicht.
„Reich wird man davon nicht“
Schon ein Jahr später ist ein 20 Ar großer Steillagenweinberg im Gewann Dürrbach in Rohracker dazu gekommen, den die Kanzleiters zusammen mit einem befreundeten Ehepaar in Pacht bewirtschaften. Ein Knochenjob: 60 Meter Höhenunterschied sind dort zu bewältigen. Zudem ist vorwiegend Handarbeit gefragt. „Es gibt fast das ganze Jahr über etwas zu tun. Pro Person kommen da um die 100 Arbeitsstunden zusammen.“
Die Trauben – Riesling, Trollinger und Kerner – liefert er an die Weingärtnergenossenschaft Rohracker. Dort ist Kanzleiter Aufsichtsratsmitglied. Und einer von 30 aktiven Wengertern im Nebenerwerb, die insgesamt fünf Hektar Steillagen bewirtschaften. „Reich wird man davon nicht“, betont er. „Aber es macht sehr viel Freude und hält fit.“ Das Wissen über die aufwendige Pflege der Rebstöcke und umweltschonende Anbaumethoden hat er sich übrigens selbst angeeignet, wie die zahlreichen Fachbücher im Regal zeigen. Die Handgriffe erlernt er „durch ausprobieren und abschauen“.
Seinen Stolz auf die Rohracker Steillagen teilt er übrigens mit dem ortsansässigen Künstler Manfred Bodenhöfer, dessen Bilder seine Wohnzimmerwände schmücken. Gemeinsam bieten sie am Samstag, 9. Juni, einen Kurs an der Volkshochschule an: „Maler am Steilhang“. Nach einem Atelierbesuch können die Rohracker Weine in der Kelter probiert werden. Manfred Kanzleiter erzählt dabei über den Weinbau.Text