Das SWR-Fernsehen befragte gestern beim Verlassen der Center-Versammlung Foto: Kuhn - Kuhn

Der Dieselskandal trübt die Stimmung auch im Daimler-Stammwerk in Untertürkheim. Trotz sieben Prozent Zuwachs im letzten Quartal sind die Mitarbeiter verunsichert. Infos gibt es nicht.

UntertürkheimEs herrscht eine gespaltene Stimmung bei den Mitarbeitern des Mercedes-Benz-Werks Untertürkheim. Monat für Monat produziert der Konzern einen Absatzrekord nach dem anderen. Im Stammwerk brummt es. Immer mehr Motoren, Getriebe und Aggregate verlassen die Montagehallen. Es herrscht Vollbeschäftigung. Gleichzeitig trübt der Abgasskandal das positive Bild. In dieser Woche finden die Centerversammlungen statt. „Es ist wie eine Betriebsversammlung aber eben in kleinerem Rahmen“, erzählt ein Gewerkschafter. Er wie rund 20 000 andere Beschäftigte erwarteten Antworten auf drängende Fragen nach dem Dieselskandal und dem Fortschritt in Sachen E-Mobilität. Zu einer der größten Centerversammlungen trafen sich gestern Vormittag Daimler-Beschäftigte in der Carl-Benz-Arena. Gegen 11.30 Uhr verließen die ersten mit dem schwarzen Daimler-T-Shirt bekleideten Mitarbeiter den Saal, gruppierten sich unter einem Schatten spendendem Baum und diskutierten. Der Großteil der Gruppe, die überwiegend aus Leiharbeitern des Logistikbereichs bestand, war enttäuscht. „Es wurden viele Reden gehalten und Zahlen vorgelegt, dass die Produktion auf Hochtouren läuft, aber wir haben keinen Ton davon gehört, dass Leiharbeiter übernommen werden“, sagt einer der Daimler-Beschäftigten auf Zeit. Dies sei eine Folge der Ungewissheit über die Folgen des Abgasskandals. „Wir kleinen Arbeiter müssen dann das ausbaden, was die Chefs und Planer verbockt haben“, ruft ein anderer in die Runde. Erzählungen von Leiharbeitern, die seit fünf Jahren im Werk arbeiten, denen aber die Übernahme verwehrt werde, weil sie – so offenbar die Begründung – keine Ausbildung haben und nicht genug qualifiziert seien, machen die Runde. Frust.

Eine „gewisse Enttäuschung“ schwingt aber auch in den Aussagen von langjährigen Mitarbeitern mit, die zu einer Auskunft – auch vor der Kamera des SWR-Fernsehens – bereit sind. Viele verweigern eine Antwort, viele betonen, dass die Produktion so gut laufe wie noch nie, aber immer wieder mischen sich selbst bei eingefleischten Mercedes-Benz-Mitarbeitern auch Zweifel, wie lange der Boom noch anhält. „Ich hätte mir nie vorstellen können, dass auch unser Konzern vom Abgasskandal direkt betroffen sein könnte“, meint ein mehr als 30 Jahre in Untertürkheim arbeitender Daimler-Mitarbeiter. Noch lägen die Fakten zwar nicht auf dem Tisch und er hoffe auch, dass die Weste nicht weiter beschmutzt werde, aber der Ruf des Stuttgarter Autobauers habe bereits ein paar Schrammen abbekommen.

Das befürchtet auch Serkan Senol. Umso ernüchternder empfand er, dass bei der Versammlung der Abgasskandal nur gestreift und von den Centerleitern nicht tiefergehend erläutert wurde. „Wir vermissen klare Antworten. Wir haben nur erfahren, was wir bereits aus der Presse vernommen haben“, ist das Mitglied des Untertürkheimer Betriebsrats enttäuscht. Natürlich seien er und seine Kollegen stolz auf das Absatz-Plus von sieben Prozent im vergangenen Quartal, aber die Mitarbeiter hätten heute auch mehr Details über das Ausmaß der Abgasaffäre erwartet. „So wird unser hart erarbeiteter Ruf als Erbauer von tollen Autos ramponiert“, befürchtet Senol. „Die Kunden erwarten von uns saubere Spitzenfahrzeuge. Sie fühlen sich betrogen“, wirft ein Mitarbeiter im Vorbeigehen ein.