Tristesse im Vorgarten: Schotterflächen sind ein umstrittener Trend. Naturschützer schlagen Alarm. Foto: Elke Hauptmann - Elke Hauptmann

Schottergärten liegen im Trend. Doch die Steinwüsten sind ökologisch eine Katastrophe. Die Stadt Stuttgart prüft daher Möglichkeiten, die Tristesse im Vorgarten zu verbieten.

ObertürkheimEin Spaziergang entlang der Uhlbacher Straße führt an schmucken Häusern mit kleinen, gepflegten Vorgärten vorbei. Rasen, Blumen, Hecken – doch dazwischen immer wieder mehr oder weniger aufwendig gestaltete Schotterbeete, auf denen wenig bis gar nichts blüht. Straßenzüge wie dieser sind keine Seltenheit in Stuttgart: Wie Pilze nach einem warmen Sommerregen schießen diese Steinwüsten derzeit aus dem Boden.

Die als pflegeleicht gepriesenen Schottergärten liegen voll im Trend: Wer keine Lust zum Unkrautjäten hat, kippt sich einfach eine Ladung Marmor, Basalt, Quarz, Gletscherkies oder Granit vors Haus. Vielleicht noch alibimäßig einen Blumenkübel drauf gestellt – fertig. Diese Form der Gartengest altung hat aber negative Auswirkungen auf die Natur: Die Artenvielfalt leidet. Weil solche Flächen wenig oder gar keine Pflanzen enthalten, finden Insekten, Vögel und anderes Getier keine Nahrung mehr und auch keine Brutplätze. Schottergärten produzieren keinen Sauerstoff, Folien unter den Steinen verhindern das Versickern von Regenwasser und der natürliche Abkühlungseffekt durch Verdunstung fehlt.

Unklare Rechtslage

Immer mehr Experten verfolgen die Entwicklung mit Sorge – und einige Kommunen gehen bereits gegen diese Schottergärten vor. In Heilbronn zum Beispiel gibt es schon drei rechtskräftige Bebauungspläne aus den Jahren 2015 und 2018, mit denen Steinwüsten in Privatgärten untersagt werden. Das Thema ist inzwischen in der Politik angekommen: Die Umweltminister mehrerer Bundesländer sehen Aufklärungsbedarf bei den Grundstücksbesitzern und fordern eine bundesweite Kampagne für blüten- und artenreiche Gärten – finanziert über das „Aktionsprogramm Insektenschutz“ der Bundesregierung.

Auch Peter Pätzold, Stuttgarts Umwelt- und Baubürgermeister, findet diese Gärten „grausig und wüst“. Wie viele es davon schon in der Landeshauptstadt gäbe, wisse er nicht – das Anlegen von Schottergärten sei baurechtlich nicht genehmigungspflichtig. Diese tristen Steinwüsten ohne Nutzen für die Natur sind dem Grünen-Politiker jedoch ein Dorn im Auge, weshalb er bei seinen Ämtern bereits nachgefragt hat, wie man dem fragwürdigen Trend Einhalt gebieten könnte, teilt er auf Anfrage mit. Dort allerdings räumt man ein, die Rechtslage sei schwierig. Anordnungen allein auf der Grundlage der Landesbauordnung zu treffen, sei mangels Rechtssicherheit wenig sinnvoll. „Wenn Steingärten zukünftig verhindert werden sollen, sollte die Gestaltung der Vorgärten über eine örtliche Bauvorschrift oder ein Pflanzgebot im Bebauungsplan geregelt werden“, lautet die Empfehlung der städtischen Experten.

„Wir sind gerade dabei uns anzuschauen, wie das andere Kommunen machen und wie die rechtlichen Möglichkeiten aussehen“, berichtet Pätzold. Seiner Meinung nach liegt das Problem weniger in den neuen Bebauungsplänen als in den bestehenden Bebauungsplänen. „Man muss die Menschen überzeugen, dass diese Gärten in der heutigen Zeit eigentlich nicht gehen. In Zeiten von Klimawandel, heißen Sommern und Insektensterben ist so ein Schottergarten eigentlich nicht mehr vertretbar.“ Die Stadt unterstütze Maßnahmen zur Förderung der Artenvielfalt, verweist Pätzold beispielhaft auf Programme für mehr Grün, mehr blühende Wiesen und mehr Entsiegelung.

Der Landesnaturschutzverband (LNV) Baden-Württemberg drängt Kommunen darauf, schärfer gegen die Ödnis vorzugehen. Für dessen Vorsitzenden Gerhard Bronner ist die Sache klar: Wer sich einen Garten vor seinem Haus spare und stattdessen eine Schotterfläche anlege, verstoße gegen die Landesbauordnung (LBO). Paragraf 9 schreibe nämlich vor, dass unbebaute Flächen als Grünflächen anzulegen oder anderweitig zu begrünen seien. Im Gegensatz zu echten Steingärten, die natürliche Lebensräume nachbilden und Wildpflanzen, Eidechsen, Insekten und Spinnen beherbergen, würden Schottergärten diese Vorgabe nicht erfüllen. Sie seien für Tiere und Pflanzen „so attraktiv wie der asphaltierte Parkplatz vor dem Aldi“, sagt Bronner. Ein paar Thuja- oder Kirschlorbeerbüsche würden „nicht mehr als Kosmetik“ darstellen.

Das baden-württembergische Wirtschaftsministerium hält Schottergärten indes „nicht per se für unzulässig“, wie eine Sprecherin erklärt. Zwar sollen Flächenversiegelungen „in unangemessenem Umfang“ verhindert werden, allerdings dürfe Eigentümern durch kommunale Vorgaben und die LBO nicht die Möglichkeit genommen werden, ihre Gärten nach eigenen Vorstellungen individuell zu gestalten, heißt es im Ministerium. Letztlich hänge es vom Einzelfall ab, ob ein Steingarten eine zulässige Nutzung der Fläche sei oder ob damit bereits eine unzulässige reine Versiegelung der zu begrünenden Flächen vorliege.