Mitarbeiter des Gartenbauamtes rücken dem Bambus zu Leibe. Foto: Stadt Stuttgart (z) - Stadt Stuttgart (z)

Illegal entsorgte Gartenabfälle tragen zur Verbreitung von sogenannten Neophyten bei. Bärenklau und Co. verdrängen heimische Arten. Deshalb geht die Stadt gegen die „Einwanderer“ vor.

Untertürkheim Zugegeben: Viele von ihnen sehen hübsch aus. Aber einige können, weil sie keine natürliche Feinde haben und sich zu undurchdringlichen Massenbeständen oder Dickichten ausbreiten, zu einer Bedrohung für die heimische Flora und Fauna werden. Das Garten-, Friedhofs- und Forstamt (GFF) schlägt jetzt Alarm: Immer mehr standortfremde Pflanzenarten wie Lupine und Robinie, das Indische Springkraut oder die Kandische Goldrute siedeln sich in Stuttgarts Wäldern an. Mit ein Grund dafür sei, dass Gartenabfälle sorglos in der freien Landschaft entsorgt werden.

Vor allem in stadtnahen Waldgebieten würden immer wieder Grüngutabfälle unrechtmäßig abgelagert. Dies führe zu einer unerwünschten Nährstoffanreicherung des Bodens – und begünstige nicht selten das Wachstum gebietsfremder Arten, die sich meist durch eine hohe Fähigkeit zur Anpassung auszeichnen. Mögliche Folgen sind Biotopzerstörung und Bodenerosion.

Neophyten bedeutet wörtlich übersetzt „neue Pflanzen“ und bezeichnet jene Arten, die seit der Entdeckung Amerikas (1492) hierzulande bewusst, etwa als Samen oder Futterpflanze, eingeführt oder versehentlich eingeschleppt wurden. In Deutschland haben die Forscher rund 450 Neophyten ausgemacht. Es gibt zahlreiche unproblematische Arten, die in friedlicher Koexistenz mit den heimischen Pflanzen leben. Aber eben auch einige, die sich invasiv verhalten. Kaum zu bremsen ist etwa der Japanische Staudenknöterich, auch das Schmalblättrige Greiskraut, die Ambrosie und der Riesenbärenklau haben sich in den vergangenen Jahrzehnten unkontrolliert ausgebreitet. Sie schädigen nicht nur das Ökosystem, sondern stellen oft auch eine Gefährdung für die Gesundheit der Menschen dar.

Auf Herbizide wird verzichtet

Das Garten-, Friedhofs- und Forstamt hat deshalb den sogenannten Neophyten den Kampf angesagt. Im Zuffenhauser „Stadtpark“ bei spielsweise geht es jetzt dem Bambus an die Wurzel. Der Leiter der Abteilung Forsten und Service-Betriebe beim GFF, Hagen Dilling, gab dieser Tage den Startschuss für entsprechende Gegenmaßnahmen. Diese seien „aus Forst- und Naturschutzgesichtspunkten“ zwingend nötig, heißt es beim GFF. Der Bambus habe sich über die Jahre beträchtlich ausgebreitet und beeinträchtige die Vorkommen von Zweiblättrigem Blaustern und Breitblättrigem Stendelwurz – beide Arten seien im Frühjahr eine wichtige Bienenweide. Das Überwachsen durch den Bambus führe zum Verschwinden der Pflanzen. Die Bekämpfung soll nun durch eine regelmäßige Mahd erfolgen – und zwar sechs Mal im Jahr. Auf den Einsatz von Herbiziden werde bewusst verzichtet. Ein kostspieliges Unterfangen, dessen Erfolg zudem nicht sicher ist.

Zuffenhausen ist kein Einzelfall. „Neophyten sind in allen Stadtteilen ein Problem“, sagt die Sprecherin der Stadt, Ann-Kathrin Gehrung. So gebe es im Bereich Hedelfingen zum Beispiel Kirschlorbeer, der nicht zurückgedrängt werden könne. Auch die ursprünglich aus dem Kaukasus stammende Zierpflanze steht auf der Liste der Stadtgärtner. Wann sie hier mit Spaten und Motorsense anrücken werden, ist aber offen: „Die aktuellen Problemstellen werden wir nach Dringlichkeit bekämpfen“, teilt Gehrung mit.

Für die Ausbreitung fremdländischer Pflanzen ist in erster Linie der Mensch verantwortlich. Die Leidenschaft, etwas ganz Neues zu pflanzen, ist offenbar groß: Hobbygärtner bringen aus dem Urlaub mit oder können Neophyten in großer Vielfalt in Baumärkten und Gartencentern erwerben – dort werden Exoten wie Chinesische Hanfpalmen, Riesen-Chinaschilf und japanische Zeder als neuer Trend angepriesen. Mit dem unbedacht entsorgten Grünschnitt werden die Pflanzen vom Vorgarten in den Stadtwald getragen. Hagen Dilling betont, dass die Ausbringung von Grüngut oft ohne böse Absicht erfolge. Aber gravierende Folgen habe. Deshalb sei es wichtig, solche Abfälle auf den städtischen Kompostieranlagen, Häckselplätzen oder bei den Wertstoffhöfen abzugeben, um die heimischen schützenswerten Pflanzen zu bewahren. „Mit unserer Aktion möchten wir an die Bürgerinnen und Bürger appellieren, ihr Verhalten zu ändern“, betont Stadtsprecherin Ann-Kathrin Gehrung.