Die Arbeitswelt hält viele Menschen wach, aber auch das eigene Verhalten ist häufig eine Ursache für die Schlafstörungen. Foto: dpa Quelle: Unbekannt

Von Alexander Müller

In Stuttgart leben die gesündesten Menschen in Baden-Württemberg. Das geht aus der aktuellen Analyse der DAK-Gesundheit hervor, die alljährlich in ihrem Gesundheitsreport wichtige Veränderungen hinsichtlich Krankschreibungen aufzeigt. Die Zahl der Ausfalltage in Stuttgart sind 2016 um 0,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr gesunken. Mit 2,7 Prozent gab es in der Landeshauptstadt den niedrigsten Krankenstand in Baden-Württemberg. Dieser liegt mit 3,3 Prozent immer noch weit unter dem Bundesdurchschnitt von 3,9 Prozent. „Die Menschen im Ländle sind gesund, aber in Stuttgart noch etwas gesünder“, erklärt Tobias Tschinkel von der DAK in Stuttgart den historischen Tiefstand. Laut dem Report waren damit jeden Tag des Jahres von 1000 Arbeitnehmern lediglich 27 krankgeschrieben. „Es ist ein Trend, der in den vergangenen Jahren zu erkennen ist“, sagt Tschinkel weiter. Wohin die Reise in Zukunft gehe, sei aber noch ungewiss. „Viel tiefer kann es nicht mehr fallen.“

Meistens psychische Erkrankungen

Psychische Erkrankungen wie Depressionen oder Burn-Out sind für jeden fünften Ausfalltag verantwortlich. Zwar haben diese um zwei Prozent abgenommen, dennoch rangieren sie damit auf dem ersten Platz. Denn der Spitzenreiter aus dem Vorjahr, die Atemwegserkrankungen sind gar um 20 Prozent gesunken und rangieren mit 17,6 Prozent nurmehr auf Rang drei. Dazwischen rangieren Probleme mit dem Muskel-Skelett-System wie Rückenschmerzen mit 17,9 Prozent (minus vier Prozent). Einen Rückgang gab es auch bei Verletzungen und Infektionen.

Einen Schwerpunkt hat die Kasse dieses Mal auf Schlafstörungen gelegt. Denn die Entwicklung ist laut DAK bedenklich und stützt sich dabei auf Erhebungen im gesamten Land (siehe Infobox). Dass knapp 80 Prozent der Erwerbstätigen im Land über Schlafstörungen klagen, hängt nach den Erkenntnissen der Studie an vier grundsätzlichen Eckpfeilern: den Arbeitsbedingungen, ständige Erreichbarkeit, weniger Muskelbelastung und auch fehlendes Sonnenlicht. Vor allem die Arbeitsbedingungen, mit ihren ständig wachsenden psychischen Belastungen und dem Stress sind ausschlaggebend. Aber auch ständige Erreichbarkeit nach Feierabend seien ein Grund.

Aber die Studie stellt auch klar, dass viele Menschen sich selbst, um einen gesunden Schlaf bringen. „Vor allem zivilisatorische Faktoren“, sieht die Leiterin des Schlaflabors der Klinik Schillerhöhe des Robert-Bosch-Krankenhauses, Diplom-Psychologin Sabine Eller. Der Mangel an Muskelbelastung in den Dienstleistungsberufen und an natürlichem Licht seien mitverantwortlich. „Die menschlichen Rezeptoren, die für den Tagesrhythmus verantwortlich sind, schließen bereits um 11.30 Uhr“, wirbt die Expertin dafür, früh raus an die frische Luft zu gehen. Zudem sei auch abends lange fernzusehen wie es 80 Prozent der Erwerbstätigen machen, nicht gut. 69 Prozent erledigen private Angelegenheiten am Laptop oder Smartphone, jeder Siebte beschäftigt sich noch mit dienstlichen Dingen wie E-Mails. Dabei müssen „die Beschwerden sehr ernst genommen werden“, weiß Werner Waldmann, der Vorsitzende des Bundesverbandes für Schlafapnoe und Schlafstörungen. Denn Schlafstörungen seien oftmals ein erster Indikator für psychische Erkrankungen. Ob dies ein erstes Symptom oder gar der Auslöser ist, sei noch ungeklärt, sagt Eller. Entgegen der guten Versorgung für Schlafapnoe-Patienten gebe es auch noch keine flächendeckende Hilfe, „mit ein paar Tabletten vom Hausarzt ist es aber nicht getan.“

Die DAK-Gesundheit ist eine der größten Krankenkassen Deutschlands. Sie hat 700 000 Versicherte in Baden-Württemberg, davon ungefähr 27 000 in Stuttgart.

80 Prozent der beschäftigten schlafen schlecht

Die Untersuchung:Die DAK-Gesundheit untersucht in ihrem aktuellen Gesundheitsreport mit dem Schwerpunktthema „Schlafstörungen“ auch, wie es um die nächtliche Erholung der Arbeitnehmer steht. Die Kasse wirft dabei einen Blick auf die Ursachen und die vorhandenen Risikofaktoren. Für das Schwerpunktthema wertete das IGES-Institut die Fehlzeiten aller erwerbstätigen Mitglieder der DAK-Gesundheit in Baden-Württemberg aus. Es wurden zudem bundesweit mehr als 5000 Beschäftigte im Alter von 18 bis 65 Jahren befragt und zusätzlich zahlreiche Experten eingebunden. Die Ergebnisse wurden mit Zahlen aus einer DAK-Untersuchung aus dem Jahr 2010 verglichen. Ein Fazit: Knapp 80 Prozent der Erwerbstätigen in Baden-Württemberg berichten von Schlafproblemen. Seit dem Jahr 2010 stieg der Anteil der von Ein- und Durchschlafproblemen betroffenen 35- bis 65-jährigen Arbeitnehmer damit um stolze 66 Prozent an. Schwere Schlafstörungen haben sich seit 2010 sogar verdoppelt. Jeder elfte Arbeitnehmer (9,1 Prozent) in Baden-Württemberg leidet unter schweren Schlafstörungen (sogenannte Insomnien) mit Ein- und Durchschlafstörungen, schlechter Schlafqualität, Tagesmüdigkeit sowie Erschöpfung.

Mehr Fehltage: Die DAK-Analyse zeigt deutlich, dass sich dieser Trend auch bei den Krankmeldungen auswirkt. Die Fehltage wegen Schlafstörungen stiegen um 97 Prozent auf jetzt 3,65 Tage je 100 Versicherte. Der Anteil ist so klein, da die große Mehrheit der Baden-Württemberger versucht allein mit den Schlafproblemen zurechtzukommen und nicht zum Arzt geht. Nur 3,6 Prozent der Erwerbstätigen waren 2016 deswegen in den Praxen. Im Bundesdurchschnitt sind es 4,8 Prozent. Selbst Erwerbstätige mit einer schweren Schlafstörung gehen meist nicht zum Arzt: 70 Prozent lassen sich nicht behandeln.