Rainer Kußmaul erklomm 2017 das Timmelsjoch mit dem Fahrrad. Quelle: Unbekannt

Von wegen Ruhestand: Der frühere SPD-Stadtrat Rainer Kußmaul fährt Tour-de-France-Etappen nach und hilft im städtischen Weinberg

HeumadenVon 1996 bis 2001 stand er an der Spitze der starken SPD-Gemeinderatsfraktion, heute erobert er mit dem Fahrrad hohe Alpen-Gipfel: Rainer Kußmaul. Nach sechs Legislatur-Perioden und knapp 30 Jahren im Stuttgarter Gemeinderat verzichtete der Heumadener, der auch die Stadtbezirke in den Oberen Neckarvororten betreute, 2009 sich erneut zur Wahl zu stellen. Der damals 68-jährige Mathematik-Professor machte Jüngeren Platz – doch ruhig daheim herumzusitzen war für den sportbegeisterten Ruheständler keine Option. „Ich halte mich zwar aus der lokalen Politik heraus, verfolge dafür die Weltpolitik umso intensiver“, sagt Kußmaul lachend. Seine Informationen bezieht er dabei nicht nur aus deutschen Medien. Gerne schaut sich der 77-Jährige französische und amerikanische Sender und europäische Nachrichtensendungen an, lauscht Reden der UN oder studiert Macrons präsidiale Reden. Zudem hat er in den vergangenen Jahren mit seiner kulturbegeisterten Ehefrau die europäischen Metropolen und Kulturstädte bereist. „Sowohl Trumps Wahlsieg als auch die Konsequenzen der europäischen Flüchtlingspolitik habe ich kommen sehen“, sagt der überzeugte Europäer und ärgert sich darüber, dass die Reaktionen auf Macrons „Weltklasse-Rede bei der Verleihung des Karlspreises in Deutschland auf so geringes Echo“ stieß.

Überhaupt liegt dem gebürtigen Pforzheimer das europäische Nachbarland besonders am Herzen – nicht nur wegen seiner Kultur, sondern auch wegen der Tour de France. Aus einer Wette an der Bar kam er fast zufällig zum Radsport. Als Stadtrat nahm er in den 80er-Jahren als Beobachter im Auto an der Radfahrt Stuttgart – Straßburg teil. „Nach dem dritten Bier an der Bar wettete ich, dass ich die Strecke auch bewältige.“ Damals noch mit einem einfachen Zehn-Gang-Fahrrad schaffte er es tatsächlich in Stuttgarts Partnerstadt und war vom Radl-Virus infiziert. In den Folgejahren organisierte er Radtouren mit Freunden und von 1997 an machte er sich auf die Spuren der Tour-de-France-Etappen. Den Anfang machten die Pyrenäen-Berge. Die Strapazen am Tourmalet, am Aubisque und am Col de la Croix de Fer kennt auch der Heumadener Freizeit-Radler. Auch die legendäre Zielankunft in Alpe d’Huez hat Kußmaul erfahren. „Ich habe zwar ein paar Mal kurz Pause gemacht, bin aber immer oben angekommen“, sagt er lachend. Vor zwei Jahren mit 75 Jahren hatte er zwar schon den Abschied von den großen Pässen genommen. Dank der E-Bikes die Berge – mit minimaler Unterstützung – wieder ins Programm genommen. 2017 bezwang er das Timmelsjoch, im Juni 2018 nochmals Alpe d`Huez. Inzwischen hat er bereits das 34. Sportabzeichen abgelegt, spult mal schnell den Stuttgarter Radlthon herunter, spielt im Winter regelmäßig Tennis und hilft zudem an rund 45 Tagen ehrenamtlich in den städtischen Weinbergen mit. „Rebschnitt, Binden und natürlich bei der Weinlese - bereits im siebten Jahr. Die Gesellenjahre sind vorüber“, sagt Kußmaul lachend.

Bis vor zwei Jahren engagierte sich Kußmaul intensiv für den Förderverein krebskranke Kinder und organisiert noch dafür regelmäßig Benefizkonzerte mit den Stuttgarter Philharmonikern, bei denen er immer noch im Kuratorium des Vereins Freunde der Stuttgart Philharmoniker mitwirkt. Darüber hinaus widmet der dreifache Opa auch viele Stunden seiner Familie, stellt Fotobücher für seine Enkel aus Berlin zusammen und freut sich auf den Besuch der zwei ältesten in den kommenden Tagen.