Quelle: Unbekannt

Fehlende Stellplätze in er Rohrackerstraße sorgen für Zündstoff bei Anwohnern und Ämtern. Immer mehr Bürger greifen dabei zur Selbsthilfe.

RohrackerPassiert jetzt was? Man hat ja schon einiges gehört – von Wortgefechten, Kratzern und bitterbösen Zetteln unterm Scheibenwischer. Die Rohrackerstraße, ein Schmuckstück des gleichnamigen Stadtteils zwischen Neckartal und Fildern, ist ein Wespennest des Straßen- und Verkehrsrechts. Schilder wie „Privat-Parkplatz“ oder „Privat-Grundstück“ säumen den Weg. Und nun dieser Affront: Ein weißer Opel Corsa mit Berliner Kennzeichen parkt längs vor einem schön sanierten Wohnhaus. Trotz Schild, das Fremden das Parken verbietet.

In Rohracker haben sich Bewohner ihr eigenes Parkraummanagement gebastelt. Anders als in den Innenstadtbezirken oder in Bad Cannstatt, wo die Stadtverwaltung mit Automaten, Gebühren und Strafzetteln den Mangel zu regeln versucht – und dennoch Ärger und Härtefälle nicht verhindern kann. „Ja, das ist nicht so ganz rechtens“, sagt ein 36-jähriger Anwohner. Damit meint er nicht den Berliner Opel, sondern das Schild am Haus. Das Parken ist nicht wirklich Privatsache, denn der Platz davor ist öffentlicher Straßenraum. „Doch alle hier glauben an das ungeschriebene Gesetz, dass man nur selbst vor seiner Haustür parken darf.“ Der Corsa bleibt unbeanstandet. Der Hausbewohner ist gerade nicht daheim.

Nach Feierabend spürt auch Rohracker die Parkplatznot. Dabei ist’s hier nicht wie in Plieningen, wo unzählige Flughafenbesucher die Wohnstraßen füllen und Anwohner immer lauter nach Abhilfe rufen. In Rohracker ruft man nicht: Still prangen die „Privat“-Schilder. Alles nur Schwindel, schimpfen diejenigen Bewohner im Quartier, die nach Feierabend ihren Platz fernab suchen müssen. Es könne gar keine privaten Parkplätze am Straßenrand geben, weil keine der Privatflächen groß genug für ein Auto wäre. Der stille Parkplatzkrieg am Straßenrand schafft böses Blut. Neulich hat eine 70-Jährige, die seit Jahrzehnten hier wohnt, ihren Wagen vor dem Haus einer Nachbarin abgestellt. Die Quittung war ein böser Zettel unterm Scheibenwischer. „Ganz ohne Anrede, in einem unverschämten Ton“, sagt sie. Das will sie nicht auf sich sitzen lassen.

„Nachbarn und Besucher werden dumm angemacht“, sagt eine 63-Jährige ein paar Häuser weiter, „doch mit welchem Recht eigentlich?“ Vor einem Jahr hat sie beim Tiefbauamt nachgefragt, und in einer Mail kam die Antwort, dass sie das zu Recht kritisiere. Man werde die Betroffenen anschreiben. Jetzt, ein Jahr später, hat sich aber wenig geändert.

„Das ist rechtlich alles ziemlich schwierig“, sagt Birgit Wöhrle von der Straßenverkehrsbehörde im Ordnungsamt. Die Straße ist einheitlich gepflastert, es gibt keinen geordneten Gehweg. Allenfalls münzengroße Grenzmarken im Boden lassen erahnen, was Privatgelände ist. „Man wollte eben den Charme des alten Wohnquartiers erhalten“, sagt die städtische Parkplatzexpertin. Die Stadtplaner, die hier 2003 zu sanieren begannen, wollten weder Bordsteine noch Fahrbahnmarkierungen.

Ist privat immer privat? Laut Straßenrecht kann auch Privatgrund als öffentliche Fläche gewidmet sein, etwa per Gestattungsvertrag. Doch hier war alles schon historisch gewachsen, noch ehe Straßen- und Verkehrsrecht eine Rolle spielten. „Hier muss alles Kante für Kante, Zentimeter für Zentimeter angeguckt werden“, sagt Wöhrle.

Klar scheint nur eines: Die meisten Privatgrundstücke sind viel zu klein oder zu schmal, um einem ausgewachsenen Auto als Parkplatz zu dienen. Wer hier privat parken will, parkt mit der anderen Autohälfte öffentlich. „Das stimmt nicht“, sagt eine Bewohnerin, vor deren Haus zwei „Privat“-Schilder hängen. Die Fläche sei Privatbesitz, und das erkenne man an den kleineren Pflastersteinen. Das schere aber viele nicht, klagt sie: „Wir müssen ständig unsere Plätze verteidigen.“ Für die Behörden ist das nicht so eindeutig. Auf den städtischen Plänen ist die Fläche diagonal durchschnitten. „Das ist nichts Ganzes und nichts Halbes“, sagt Franco Auricchio vom Tiefbauamt. „Wenn eine private Fläche nicht ausreicht, dürfen dort eben alle parken – oder keiner.“

Ein Hausbesitzer hat eine andere, stille Variante gewählt. Er hat Poller auf seiner etwas breiteren Privatfläche aufgestellt. Damit kann er den Platz freihalten, auch wenn ein Auto ein Stück weit auf der öffentlichen Fläche steht. „Das wäre kein Verstoß gegen das Parkrecht“, sagt die Frau vom Ordnungsamt. „Das funktioniert ja auch nur deshalb, weil wir hochanständige Leute sind und dann halt auch nicht parken“, sagt eine 70-Jährige. Sie überlegt nun, ob auch sie ein „Privat“-Schild an ihr Haus hängt. „Die Autos werden halt immer mehr und immer größer“, sagt ein 62-Jähriger. Er hat’s gut, er hat für seinen Kleinwagen eine Garage.

Wie wird es weitergehen? „Eine Lösung für alle zu finden, ist so gut wie unmöglich“, sagt Birgit Wöhrle vom Ordnungsamt. Hedelfingens Bezirksvorsteher Kai Freier sagt, dass es trotz aller Schwierigkeiten irgendwie ja doch funktioniere. Für ihn gibt es nur eine Lösung: „Man muss halt miteinander reden.“ Ein Stadtplaner seufzt: „Die Probleme entstanden hier schon Jahrzehnte vor der Erfindung des Autos – und hinterher wurde es nicht besser.“