Annette Hauser Foto: Mathias Kuhn - Mathias Kuhn

Die Stadtteilbibliothek Untertürkheim feiert am Wochenende ihr 60-jähriges Bestehen. Die Einrichtung hat sich zu einem wichtigen Treffpunkt und einer Kulturstätte im Stadtbezirk entwickelt.

UntertürkheimKurz vor Weihnachten 1959 wurde im Erdgeschoss des Neubaus der Untertürkheimer Bank, in der Strümpfelbacher Straße 45, die Friedrich-List-Bücherei, die heutige Stadtteilbibliothek , eröffnet. In den vergangenen sechs Jahrzehnten ist die Bücherei gewachsen. Die Leiterin Annette Hauser hat die vergangenen 25 Jahre mitgestaltet. Heute bietet die Bibliothek rund 41 000 Medien, darunter Spiele, Zeitungen und Zeitschriften, zahlreiche Spiel- und Sachfilme und ist mit acht Internet- und Multimedia-PCs, vier Laptops und WLAN ausgestattet.

Frau Hauser, die Untertürkheimer Stadtteilbücherei feiert am Wochenende 60-jähriges Bestehen. Gehört Untertürkheim zu den Vorreitern?
Es gab tatsächlich 1870 bereits in der damals selbstständigen Kommune Untertürkheim eine Ortsbücherei. Es war die erste Bücherei im Bereich der heutigen Stadtbücherei Stuttgart. Zwischen 1945 und 1959 gab es keine Bücherei mehr in Untertürkheim. 1959 wurde dieses Gebäude eröffnet. Es hatte der Untertürkheimer Volksbank gehört und die städtische Bücherei kam im Erdgeschoss unter.

Welche Bedeutung hatte die Friedrich-List-Bücherei für die Neckarvororte?
Es war die zentrale Bücherei. Es gab in Obertürkheim als Außenstelle noch eine kleine Bücherei. Der Bücherbus, der die anderen Stadtteile versorgte und noch heute versorgt, wurde erst viel später ins Leben gerufen.

Wann wurde die Stadtbücherei erweitert?
Erst 1981 kam das erste Stockwerk dazu. 1992 zog dann die Volksbank aus dem Gebäude aus und wir konnten auch das zweite Stockwerk übernehmen. Die Stadt hat das Gebäude erworben. Das Gesundheitsamt war bis zu diesem Zeitpunkt in Teilen des Erdgeschosses und zog in den ersten Stock. Dadurch haben wir das Erdgeschoss für uns gewonnen. Zudem haben wir noch Räume im ersten Stock erhalten. Als dann der Kinderarzt in der zweiten Etage ins Ärztehaus in die Großglocknerstraße gezogen ist, konnten wir uns einen weiteren Wunsch erfüllen. Wir eröffneten 2001 den Veranstaltungsraum und 2017 wurde unser Kinderbereich neu gestaltet.

Sie leiten seit fast 25 Jahre die Bibliothek. Was hat sich technisch geändert?
1996 wurde die EDV eingeführt. Ältere Büchereibesucherinnen und -besucher erinnern sich sicherlich noch an die Lesekarte. Sie wurde durch den Pass abgelöst. 2010 erhielten wir den ersten Selbstverbucher. Seit Mai 2015 öffnen wir samstags.

Hat sich das Ausleihverhalten verändert? Sind Bücher noch beliebt?
Das Buch ist zwar eines von vielen Medien, aber es spielt immer noch die entscheidende Rolle. Daneben wird unser digitales Angebot wie beispielsweise die e-Books-Ausleihe verstärkt genutzt. Bei uns kann man zudem auch aktuelle Zeitschriften und Zeitungen lesen und ausleihen, sowie CDs, DVDs Hörbücher und Spiele.

Was macht die Untertürkheimer Stadtteilbibliothek aus?
Wir haben ein großes, zugängliches Medienangebot und wir spielen für den Stadtbezirk eine zentrale Rolle und dies nicht nur, weil wir zentral liegen. Wir arbeiten mit vielen Vereinen zusammen, haben eine Kooperation mit der Wilhelmschule und anderen Einrichtungen. Jede Klassenstufe kommt einmal im Jahr zu uns. Wir machen viel für junge Leserinnen und Leser und tragen so zur Medienbildung bei. Wir geben Internet-Einführungen und verleihen den Internet-Führerschein.

Die Stadtteilbibliothek trägt damit auch zur Bildung aller Kulturen bei?
Ja. Untertürkheim ist ein Stadtteil mit vielen Kulturen und Nationen. Deswegen haben wir einige fremdsprachige Bücher und viele Bildwörter- oder Lernbücher in zwei Sprachen. Unser Veranstaltungssaal wird oft zum Lernraum. Er steht Klassen oder Gruppen offen. Wir haben zudem einige PCs und auf der Homepage Lernprogramme und Weiterbildungsplattformen.

Dazu kommen viele Veranstaltungen und Ausstellungen.
Ja, wir sind ein lebendiger Ort der Kultur und Künste. Die Bücherei ist gut vernetzt mit den lokalen Vereinen und bietet ihnen und Künstlern Raum für Ausstellungen. Die Ortsgeschichte ist hier präsent, Künstlergruppen präsentieren ihre Werke, aber wir haben auch Gäste und Gruppen wie den Verein 46 plus, der Verein Schwabenstein mit den Lego-Landschaften, bekannte Autoren, chinesische Künstler oder literarische Spaziergänge mit Bernd Moebs. Wir hatten die Tibetinitiative und den Stotterei-Verein zu Gast, aber es stellen auch Schüler oder die Fotogruppe der Naturfreunde aus. Auch für Kindergruppen und Familien bieten wir ein spannendes Veranstaltungsprogramm. Die Stadtteilbücherei ist eine Kulturstätte.

Gibt’s weitere Besonderheiten?
Ja, wir sind ein lang zusammenarbeitendes, gewachsenes Team. Wir bilden aus und machen Werbung für unseren Beruf, indem wir beispielsweise Schülerpraktika anbieten. Der Bibliothekar-Beruf ist vielfältig und spannend. Wir müssen immer auf dem Laufenden sein.

Gutes Stichwort: Was sind aktuelle Trends im Buchbereich?
Beliebt sind gerade Themen wie Nachhaltigkeit, Müllvermeidung, Bücher zu aktuellen politischen oder philosophischen Fragen. Aber auch zu Reiseführern und Ratgebern wie momentan zu Basteltipps an Weihnachten wird gegriffen. Familien interessieren sich für Kinderbetreuung. Auch unsere Brettspiele werden sowohl bei uns vor Ort ausprobiert, als auch ausgeliehen. Erwachsene lesen zudem immer noch gerne Romane. Täglich melden sich Bürgerinnen und Bürger jedes Alters bei uns neu an.

Die Stadtteilbücherei wird also auch ihr 75-jähriges Bestehen erleben. Wie wird Sie aussehen?
Wir sind ein Forum, um die Lernbiografien zu begleiten. Eine Schnittstelle, die die Chancengleichheit ausmacht. Hier kann der erste Schritt in die Welt des Wissens, der Informationen und der neuen Technologie begangen werden. Wir sind das Tor zur immer schneller werdenden Medienwelt. Wir wollen Kindern ein Erfolgserlebnis im Leben geben. Uns ist aber auch wichtig, dass die Bürgerinnen und Bürger sich für ihre nähere Lebenswelt interessieren. Wir sind ein wichtiger Treffpunkt. Untertürkheim ist ein schöner Stadtbezirk, in dem Menschen leben, die bereit sind, sich einzubringen und wir sind ein Teil davon.

Das Interview führte Mathias Kuhn

Das Jubiläum wird am Samstag, 30. November, mit einem Familientag gefeiert. Ab 11 Uhr sind die Lego-Profis vom Verein Schwabenstein 2x4 zu Gast und bringen jede Menge bunte Steine mit. Um 13 Uhr beginnt das Theaterstück „Der Buchstabendieb“ zum Mitraten für Kinder ab fünf Jahren. Im Land von König Rudolf dem Reichen verschwinden Buchstaben. Bereits am Freitag, 29. November, 18.30 Uhr nimmt das Ensemble von „Dein Theater“ die Besucherinnen und Besucher mit ihrem Programm „50 Jahr, blondes Haar“ auf eine Zeitreise mit. Eine Anmeldung unter Telefon 216-57723 oder per E-Mail stadtteilbibliothek.untertuerkheim@stuttgart.de ist erforderlich.