In Nahaufnahme sehen die Mauereidechsen wie ein Relikt aus den Zeiten der Dinosaurier aus. Foto: dpa Quelle: Unbekannt

Von Mathias Kuhn

Sie sind etwa 25 Zentimeter lang, flink und gelten als weltweit seltene Tierart: Mauereidechsen. In der EU sind die Reptilien streng geschützt. In Stuttgart fühlen sie sich vor allem im Bereich der Bahngleise wohl. Am künftigen Tunnelmund unweit des Schillerradwegs leben einige hundert Tiere, die umgesiedelt werden müssen. Für sie wurde nun ein Ersatzstandort auf dem Killesberg gefunden. Die Fangaktion soll im Spätsommer beginnen.

Auch wenn mancher Stadtrat in der gestrigen Sitzung den Sinn und vor allem die Kosten für die Umsiedlungsaktion stark anzweifelten, die juristische Grundlage ist eindeutig: „Das EU-Recht gibt den Rechtsrahmen vor. Mauereidechsen sind eine geschützte Art, stehen im Anhang auf der Roten Liste. Es besteht ein Tötungsverbot. Die Tiere müssen umgesiedelt werden“, macht Umweltbürgermeister Peter Pätzold klar. Dies gilt auch für die Exemplare, die sich im Bereich der künftigen Zuführung des Stuttgart-21-Tunnels in die bestehende Gleistrasse bei Obertürkheim angesiedelt haben. Im Zuge eines Planänderungsverfahrens für den Stuttgart-21-Abschnitt 1.6A hatten die Bahnplaner vorgeschlagen, die Tiere in einem Freilandterrarium im Albvorland bei Kirchheim/Teck zwischenzulagern, bis sie nach Abschluss der Arbeiten wieder ins Neckartal zurück gesiedelt werden können. Die Naturschutzverbände lehnten diesen „Verschiebebahnhof“ ab. Auch deswegen hätten sich Bahn, Stadt und Land gemeinsam auf die Suche nach einem anderen Biotop gemacht und dieses auf der Feuerbacher Heide im Stuttgarter Norden gefunden, so Pätzold gestern. Auf der gegenüberliegenden Seite des Killesberg-Parks, unweit der Weißenhof-Tennisplätze in der Straße „Am Tazzelwurm“ befindet sich eine Grünfläche, die heute bereits von Eidechsen bewohnt wird. „Dort sollen in einem ersten Schritt zunächst 360 und in einer weiteren Aktion nochmals 1500 Exemplare angesiedelt werden“, so Pätzold. Um den Tieren eine für sie entsprechende Umgebung mit Rückzugsmöglichkeiten anbieten zu können, werden Steinhaufen auf der Fläche angehäuft werden. Die bisher gewohnte Beweidung der Heide mit Schafen werde weitergeführt, sagte Pätzold.

CDU-Fraktionssprecher Alexander Kotz wunderte sich zwar, dass „alle Exemplare der seltenen Mauereidechsen zu Hunderten in Stuttgart beheimatet sind“. Er forderte aber auch in Hinblick auf die Bebauung des Rosensteinviertels ein Gesamtkonzept der Stadt. Gabriele Munk von den Grünen begrüßte, dass die Planer vom „Freilandterrarium in Kirchheim Abstand“ genommen haben und regte an, dass die Bahn auch Flächen an den Böschungen entlang ihrer Zugstrecken bereit stellen sollten. Letztendlich akzeptierten die Stadträte die Umsiedelung der „Obertürkheimer“ Eidechsen auf den Killesberg. „Wir werden diese Änderung nun zur Genehmigung einreichen“, meinte der Florian Bitzer, der im Projekt Stuttgart-21 für die Umweltbelange zuständig ist. Sofern die Genehmigung im Juli erteilt werde, könnten die Eidechsen in einer groß angelegten Umsiedlungsaktion im August eingefangen und zu ihrem neuen Biotop gebracht werden.

Unabhängig davon müssen auch noch rund 5500 Eidechsen, die zurzeit auf dem Untertürkheimer Güterbahnhofgelände beheimatet sind, umgesetzt werden. Dafür haben die Bahnplaner Ersatzflächen in den Trockenmauer-Weinbergen des Esslinger Schneckenberg vorgeschlagen. Dies löste aber Kritik bei Naturschützern aus, da sich dort die verwandte Art der Zauneidechsen befindet. Sie könnte verdrängt werden.