Menschen, die im Alter unter Demenz leiden, fehlt mitunter die Orientierung. Foto: dpa/Sven Hoppe - dpa/Sven Hoppe

Ein kleiner Lebensretter am Handgelenk hat eine Seniorin, die an Demenz leidet, dieser Tage wieder sicher nach Hause gebracht: Mit dem GPS-Gerät konnten Angehörige sie orten.

Untertürkheim Ein kleiner Lebensretter am Handgelenk hat eine Seniorin, die an Demenz leidet, dieser Tage wieder sicher nach Hause gebracht: Mit dem GPS-Gerät, das ihren Standort erfasst, konnten Angehörige sie in Untertürkheim orten. Die Daten übermittelten die Verwandten an die Polizei. Manche Pflegeheime und Träger der häuslichen Pflege empfehlen, solche Geräte einzusetzen. Andere sind hingegen skeptisch.

„Wir sind sehr froh, dass wir uns dafür entschieden haben“, sagt der 52-jährige Sohn der Frau. Seit etwa eineinhalb Jahren beobachte die Familie bei der 81-jährigen Mutter eine beginnende Demenz. Die Alarmglocken schrillten im Herbst. „Sie war noch so fit, dass sie alleine in die Stadt fahren konnte“, schildert der Sohn. Bis zu jenem Tag im September, als sie nicht zurückkam. Die Familie schaltete die Polizei ein und suchte. „Die Polizei hat super reagiert, sie gab das Foto an alle Bus- und Bahnfahrer“, berichtet der 52-Jährige. Einer entdeckte die verirrte 81-Jährige in einer Stadtbahn. „Wir wissen bis heute nicht, wo sie in der Zwischenzeit war“, fügt der Sohn hinzu.

Als die Mutter sicher wieder in ihrer Wohnung war, wo sie noch mit ihrem 83-jährigen Ehemann lebt, entschied der Sohn nach einer eingehenden Internetrecherche: Seine Mutter bekommt einen GPS-Tracker, um sie in solchen Fällen künftig orten zu können. Beim Weglaufen aus der Tagespflege, in die die 81-Jährige manchmal in einem Haus des Wohlfahrtswerks Baden-Württemberg in Obertürkheim geht, hatte das Gerät seine Bewährungsprobe. In kurzer Zeit konnte die Polizei die Seniorin finden, dank der Daten, die die Familie durchgab.

Solche Geräte würden nur vereinzelt verwendet, sagt Erwin Müller, Regionalleiter beim Wohlfahrtswerk. „Wir weisen Angehörige darauf hin, dass sie sich darüber informieren können“, fügt er hinzu. Die Daten würden grundsätzlich bei Angehörigen auf das Smartphone gehen, die eine zugehörige App installieren. Man müsse sich auf eine Zunahme der weglaufgefährdeten Menschen einstellen. Daher seien solche kleinen Helfer eine gute Ergänzung der Vorsichtsmaßnahmen in den Pflegeeinrichtungen.

„Es ist nicht 100-prozentig zuverlässig, aber eine sehr gute Hilfe“, sagt Martin Schäfer, der bei der Evangelischen Heimstiftung den Geschäftsbereich für neue Wohnformen leitet. In seine Zuständigkeit fallen auch die Themen Innovation und Digitalisierung. „Wir haben die Problematik, dass wir Menschen haben, die an Demenz leiden, aber noch einen großen Bewegungsdrang haben“, schildert Schäfer. Man wolle nicht, dass diese betreuten Personen nicht mehr rausgehen. Für solche Fälle seien die GPS-Tracker gut. „Es ist noch nicht alles optimal, aber wir sind grundsätzlich in der Erprobungsphase und haben auch eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die sich damit befasst“, fügt Schäfer hinzu. Er sei „sehr erstaunt, über die hohe Bereitschaft, sich überwachen zu lassen“, bei den betroffenen Senioren – auch wenn in den meisten Fällen nicht die Menschen mit Demenz selbst, sondern die Angehörigen entscheiden würden. Probleme sieht er jedoch auch: „Der Akku muss geladen sein, und der Mensch muss das Gerät akzeptieren.“ Man sei noch weit davon entfernt, dass die Tracker der Regelfall in den Heimen seien. Überwiegend negativ fällt die Bilanz der Bruderhaus Diakonie aus. Man habe in etwa der Hälfte der 21 stationären Pflegeeinrichtungen im Land mit rund 1200 Bewohnern Geräte verschiedener Anbieter ausprobiert – und sich gegen eine Einführung im großen Stil entschieden. „Aktuell findet ein Einsatz von GPS-Trackern nur vereinzelt statt“, teilt Sabine Steininger, die Pressesprecherin der Bruderhaus Diakonie, mit.

Ein grundlegendes Problem sei gewesen, dass die weglaufgefährdeten Menschen die Geräte, die wie eine Uhr am Handgelenkt befestigt werden, nicht akzeptiert hätten. „Die Person kann nicht mehr zustimmen“, sagt Steininger. Angehörige oder gesetzliche Betreuer machen das an ihrer Stelle. Auch wenn sich die Heimbewohner nicht mehr äußern könnten, zeigten sie ihren Willen, indem sie die Geräte abnahmen.

Wie in anderen Heimen habe man auch in den Einrichtungen der Bruderhaus Diakonie negative Erfahrungen mit der Akkulaufzeit gemacht. Da die Armbänder ständig nach einem GPS-Signal suchten, seien die Akkus schnell leer. Nicht zuletzt habe man die Geräte nicht mit dem Schwesternnotruf koppeln können. Dieser sei zum Beispiel in der Villa Seckendorff in Bad Cannstatt an die Haupteingangstür des Wohnbereichs gekoppelt: Wird diese geöffnet, empfängt das Personal ein Signal auf seinem Piepser.

Trotz der Skepsis der Fachleute, eine Gruppe hat der Einsatz in Untertürkheim überzeugt: die Polizei. „Die Kollegen von der Streife waren völlig begeistert, wie gut das geklappt hat“, sagt der Polizeisprecher Martin Schautz.