Begleitet von Klaus Schill an der Posaune singen die Senioren bei der Awo-Feier weihnachtliche Lieder. Foto: Müller Quelle: Unbekannt

Von Alexander Müller

„Oh Tannenbaum, oh Tannenbaum, wie grün sind deine Blätter...“ hallt es durch den Saal im Bürgerhaus Hedelfingen. Dort, wo früher im ehemaligen Schulhaus Generationen von Hedelfingern Weihnachtsmelodien gesungen haben, sind es nun die rüstigen Senioren, die für wohlige Stimmung sorgen. Auf den Tischen brennen die Kerzen, Tannenzweige sorgen für die nötige behagliche Atmosphäre. In der Ecke steht ein großer Tannenbaum, der geschmückt ist. Einige der Besucher haben sogar eigens selbst gebackene Plätzchen mit gebracht und auf Tellern verteilt. Weihnachten ist das Fest der Familie - doch was machen, wenn man ganz alleine ist oder die Familie weit entfernt wohnt?

Seit vielen Jahren bietet die Arbeiterwohlfahrt (Awo) im Wechsel in Untertürkheim und in Hedelfingen an Heilig Abend eine gemeinsame Feier für die Senioren aus den Oberen Neckarvororten. „Es ist schön, dass es das gibt“, sagt Hildegard Schenk. Ansonsten würde die rüstige 92-Jährige ganz alleine den Heiligen Abend zu Hause verbringen müssen. Die Kinder und Enkelkinder sind weit entfernt: „Sie leben alle im Ruhrgebiet aus dem auch ich stamme“. Sie verbringen das Fest gemeinsam dort, „das ist auch verständlich.“

„Wie eine zweite Familie“

Dennoch wollte die 92-Jährige nicht auf Gesellschaft verzichten. Nun sitzt sie an der großen Tafel im Awo-Begegnungszentrum Hedelfingen. „Es ist wie eine zweite Familie“, sagt ihre Tischnachbarin Erika Stöffler. Fast täglich kommen viele der Besucher zum Mittagstisch, „weil man in Gesellschaft ist“. Das gilt besonders an Heilig Abend. Daher lässt es sie sich auch nicht nehmen, den Nachmittag und frühen Abend im Bürgerhaus zu verbringen. „Im Anschluss holen mich meine Kinder ab, dann wird mit der richtigen Familie gefeiert“, sagt Stöffler.

Zuvor wird aber noch mit der Awo-Familie gefeiert. „Genau dieses Gefühl wollen wir vermitteln“, sagt Begegnungsstätten-Leiterin Ilka-Renata Eckert. Denn gerade an Heilig Abend „muss niemand alleine sein“, ergänzt ihre Kollegin Hildegard Walter. Seit vielen Jahren gibt es daher die gemeinsame Feier. Und das direkt an Heilig Abend, „weil dann die Einsamkeit am Größten ist“, weiß Walter. Das Programm ist vielseitig: Bereits ab 15 Uhr gibt es Kaffee und Kuchen. Zwischendurch werden immer wieder weihnachtliche Weisen gemeinsam gesungen, begleitet von Klaus Schill an der Posaune. Walter und Eckert lesen verschiedene Weihnachtsgeschichten vor - einmal sorgen diese für ausgelassene Lacher, ein anderes Mal stimmen diese eher nachdenklich. „Wir wollen alle Seiten beleuchten“, erklärt Eckert. Dazu gehört auch ein kleiner Film von zwei kleinen Kindern, die Plätzchen backen. Dabei geht zur Freude der Senioren auch einmal ein Ei zu Bruch. Natürlich untermal mit dem Lied von der Weihnachtsbäckerei. „Es ist einfach nur schön, dass man nicht alleine sitzen muss“, sagt eine Besucherin aus Riedenberg beseelt. Seit ihr Mann vor 20 Jahren gestorben ist, kümmere sich ihr Sohn um sie, „aber an Weihnachten möchte er auch einmal die Schwiegereltern besuchen“, sagt sie. Unterschlupf findet sie die bei der „Awo-Familie“. „An einer solch großen Tafel fühlt man sich einfach wohl“, sagt Stammgast Rolf Greipel aus Uhlbach, der mit seiner Frau und dem Schwager Walter Klein aus Esslingen zur Feier gekommen ist. Der Höhepunkt des Abends war dann wieder das festliche Menü am Abend: eine Rinderroulade mit Stampfkartoffeln und Rotkohl. Und so gingen die meisten Besucher denn auch am frühen Abend wieder mit einem freudigen Strahlen nach Hause. Gemeinsam ist man eben weniger einsam.