Der Stuttgarter Hafen ist Foto: Hafengesellschaft - Hafengesellschaft

In einer kontrovers geführten Debatte tauschten sich Experten über die Zukunft des Stuttgarter Hafens aus. Innovativer Wohnungsbau könnte mit der Wahrung der Logistikdrehscheibe in Einklang gebracht werden.

HedelfingenEr ist die wichtigste Umschlagdrehscheibe für die Wirtschaft in der Region, in Zeiten der knappen Wohn- und Siedlungsflächen ist er für Stadtplaner aber auch ein Viertel mit reizvollen städtischen Grundstücken im Herzen der Oberen Neckarvororte: der Stuttgarter Hafen. Dieses Spannungsfeld bot am Freitagabend den Stoff für eine spannende, kontrovers geführte Debatte im Hedelfinger Waldheim. Mit Steffen Bilger, dem Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, dem renommierten Architekten Stefan Behnisch, Hafenchef Carsten Strähle und Andreas Hofer, dem Intendanten der Internationalen Bauausstellung (IBA), die 2027 in der Region Stuttgart stattfindet, und Holger Gayer von der Stuttgarter Zeitung als Moderator war das Podium ideal besetzt und auch die provokante Fragestellung „Wie viel Hafen wollen wir uns leisten?“ zog: Vor rund 200 Zuhörern im bis auf dem letzten Platz gefüllten großen Saal des Waldheims entwickelte sich von Beginn an eine lebhafte Diskussion. Staatssekretär Bilger und Hafenchef Strähle strichen gleich zu Beginn die Bedeutung des Binnenhafens heraus. Der Güterverkehr werde in den kommenden zehn Jahren weiter um 38 Prozent zunehmen. Die Autobahnen und auch die Schienenstrecken sind bereits ausgelastet, die Wasserstraße habe dagegen noch Kapazitäten. „Ein Schiff ersetzt 70 Lastwagen. Der Stuttgarter Hafen ist eine Schnittstelle zwischen Schiff, Schiene und Straße. Er dient als Güterverkehrsdrehscheibe für die wirtschaftsstarke Region“, betonte Strähle. „Aber er liegt an der falschen Stelle. Die Grundstücke, auf denen heute Schrott und Müll lagern, sind wichtige städtebauliche Entwicklungsflächen. Wir müssen uns überlegen, wie wir den das Hafengebiet in den kommenden Jahrzehnten zu einem Lebens- und Wohnraum am Wasser entwickeln können“, forderte Behnisch provokant.

In einem lebenden und lebhaften Industriehafen wie dem Stuttgarter werde dies aber schon wegen der Bestimmungen der Bundesimmissionsschutzverordnung nicht funktionieren, entgegnete Strähle. Sie verbiete wegen der Lautstärke den Bau neuer Wohnungen in industriell genutzten Gebieten. „Wir leben hier in Stuttgart nicht nur von Schöner Wohnen, sondern vom schöner und vom guten Schaffen.“ Die Firmen im Hafen bieten selbst Arbeitsplätze und die Umschlagdrehscheibe Hafen sichere zudem indirekt weitere Arbeitsplätze in den Unternehmen, die den Hafen als Logistikzentrum nutzen. „Wir müssen auch daran denken, woher die wirtschaftliche Stärke der Region stammt“, stand Bilger dem Hafenchef bei.

Dennoch dürfe man Visionen und Wünsche haben und sich den Zukunftsdiskussionen nicht verweigern. „Ich halte nichts davon, Wohnen gegen Arbeitsplätze auszuspielen“, versuchte der Schweizer, Brücken zu bauen. Er sei sich sicher, dass sich die Produktion und auch die Logistikfirmen in den kommenden Jahrzehnten wandeln werden. Sie werden leiser, effizienter sowie smarter und sie werden auch weniger Flächen benötigen. „Wieso sollen wir nicht mehrgeschossig bauen und Wohnen und Arbeiten zueinander bringen können?“, fragte der Schweizer unaufgeregt. Architekten haben heute bereits bewiesen, dass sie Gebäude so intelligent bauen können, dass Geräuschimmissionen keine Probleme bereiten. „Lassen Sie uns jetzt etwas gemeinsam entwickeln“, bot er dem Hafenchef und den Vertretern der im Hafen ansässigen Unternehmen an, die im Publikum saßen.

In einigen Punkten eröffneten sich an diesem Abend durchaus Perspektiven. So stimmte Strähle dem IBA-Chef sofort zu, die Erlebbarkeit des Hafens zu erhöhen. Die Hafenbrücken, darin waren sich Strähle und Hofer einig, böten dazu beste Gelegenheiten. Gerhard Föll aus Wangen erinnerte deswegen bei der anschließenden Diskussion daran, dass vor fünf Jahren im Rahmen eines Bürger-Workshops bereits Überlegungen zu Aussichtsbalkonen und attraktiven Spazier- und Radwegen auf den Hafenbrücken gemacht wurden, bislang aber noch nichts passiert sei. Auch über eine Mischnutzung, die auch kulturelle Angebote beinhaltet, müsse nachgedacht werden, meinte Behnisch in der abschließenden Fragerunde und der IBA-Chef bleibt, was die Entwicklung betrifft, zuversichtlich. „Das Schöne an der Zukunft ist: Wir müssen nichts machen, sie kommt auf uns zu.“