Foto: oto: Leif Piechowski (z) - oto: Leif Piechowski (z)

Restaurator Wolfgang Kenter hat die Fassaden des Priesterhauses auf dem Württemberg und der Veitskapelle in Mühlhausen saniert.

Bad Cannstatt Spaziergänger, die sich für einen Abstecher zur Grabkelle auf dem Württemberg entscheiden, bleiben ab und an – vor allem an nasskalten Tag – auf Höhe des Priesterhauses verdutzt stehen. Die Außenwände des Bauwerks, das von November 2011 bis April 2017 für 2,4 Millionen Euro nach historischen Plänen saniert wurde, sind teilweise verfärbt.

Der Laie könnte einen Wasserrohrbruch oder einen Schaden am Dach vermuten. „Es ist jedoch alles in Ordnung“, versichert Wolfgang Kenter. Der Restaurator muss es wissen, schließlich hat er 2015 und 2016 die Fassade des Gebäudes auf dem Württemberg saniert. „Es handelt sich um einen historischen Kalkputz, der Wasser aufnehmen kann.“ Bis zum Jahr 1890 seien im Außenbereich nur solche Materialien zum Einsatz gekommen. „In modernem Putz ist meist viel Kunststoff enthalten“, sagt der Experte. „Dadurch ist er nicht mehr atmungsaktiv.“ Ein großer Nachteil aus Sicht des Experten, der auf chemische Zusätze gerne verzichtet.

Ursprünglich diente das Priesterhaus, das der italienische Hofbaumeister Giovanni Salucci 1821 im Auftrag von König Wilhelm I. entwarf, russisch-orthodoxen Geistlichen als Wohnsitz. Seit knapp zwei Jahren beherbergt das Priesterhaus, das an eine toskanische Villa erinnern und sich aufgrund des einfachen Baustils architektonisch der Grabkapelle unterordnen soll, ein Besucherzentrum. „Es soll Gäste auf dem Württemberg angemessen empfangen“, sagte Jörg Krauss, der Ministerialdirektor im Finanzministerium des Landes, bei der Eröffnung. Die Schwierigkeit beim Umbau des ehemaligen Priesterhauses habe darin gelegen, sich „genau an die architektonischen Vorgaben von Salucci zu halten“, auf der anderen Seite ein Zentrum mit modernen Servicemöglichkeiten einzurichten.

Auch an der Außenhülle musste man dem Denkmalschutz gerecht werden. Daher ist an der Fassade das Know-how von Kenter gefragt gewesen. Von Usedom bis in den Schwarzwald ist der begeisterte Bergsteiger schon im gesamten Bundesgebiet im Einsatz gewesen. Ab 1998 hat er mit acht Mann beispielsweise sechs Jahre lang die Außenfassade des Schlosses Ludwigsburg auf Vordermann gebracht. Vor sieben Jahren war er an der Veitskapelle in Mühlhausen tätig . „Dort haben wir einen neuen Außenputz nach mittelalterlicher Art entwickelt.“ Seine Vita ist lang, an zahlreichen Kirchen und Schlössern hat der 71-Jährige in den vergangenen Jahrzehnten Hand angelegt. „Mittlerweile bin ich allerdings nicht mehr so tauglich fürs Gerüst“, sagt er mit einem Lachen.

An historischen Stätten habe er sich aber noch lange nicht sattgesehen. Zu Studienzwecken ist er bereits achtmal in Pompeji gewesen. An der archäologischen Stätte begeistert ihn vor allem ein „Schaufenster, wo wir 2000 Jahre zurückschauen können, in die Zeit, als Vitruvius seine zehn Bücher der Architektur geschrieben hat“. Den Blick des Restaurators kann er beim Besuch eines alten Gebäudes aber dennoch ausschalten. „Ich begutachte sie nicht beim Betreten auf Schäden. Stattdessen sind sie allesamt interessant und erwecken einfach so meine Neugier“, sagt Kenter, der seit 53 Jahren als „Verputzer“ im Einsatz ist. „Heute sagt man Stuckateur dazu.“ Die Konkurrenz muss der Experte in seinem Bereich allerdings nicht fürchten. Es sei erschreckend zu erkennen, dass solch ein ehrbares, kreatives und gestalterisches Handwerk in nur wenigen Jahrzehnten niedergegangen ist. Die Stuckateure seien meist nur noch Ausführungsgehilfen der „Werkmörtelindustrie“, so Kenter. Das Berufsbild heutiger „Verputzer“ bestehe darin, industriell vorgefertigten Putztrockenmischungen nach Vorgaben mittels Putzmaschinen zu planen und zu leblosen Flächen zu verarbeiten.

Damit kann sich Kenter nicht anfreunden. Schon während seiner Lehre habe er gelernt, wie Kirchen „gekalkt bemalt“ werden. Zum Restaurator sei er schließlich im Laufe seines Berufs und aufgrund seiner Erfahrung geworden. Klassisch erlernen könne man das Handwerk nicht. In Frauenzimmer, einem kleinen Dorf bei Heilbronn, betreibt er nicht nur eine Restaurierungswerkstatt für historische Putze und Stuck, sondern – nach eigener Aussage – auch den einzigen Kalkladen Deutschlands. „Ungelösten Kalk zu bekommen, ist heute schwierig“, so der Experte. Doch genau diesen braucht er für seine Arbeiten.

Eigentlich ist derzeit noch Winterpause, die Grabkapelle geschlossen. Aufgrund des schönen Wetters öffnet die Kapellenverwalterin Christiane Grau am Sonntag, 24. Februar, ausnahmsweise von 12 bis 16 Uhr das königliche Mausoleum. Außerdem gibt’s am Priesterhaus ein kleines gastronomisches Angebot.