Geballte Energie: Johan Vinterstad hofft auf Revanche für die Niederlage der Schweden im olympischen Eishockey-Viertelfinale. Foto: Streib - Streib

Er lebt in Deutschland und hat eine deutsche Frau, aber das Herz schlägt doch für Schweden bei dem WM-Spiel am Samstag.

Untertürkheim "Oh Mann, waren wir stolz, als Edström und Sandberg die beiden Tore gegen Deutschland erzielten", sagt Johan Vinterstad. In den Fußball-Geschichtsbüchern muss ordentlich geblättert werden, bis die beiden Namen auftauchen: WM 1974 in Deutschland, Austragungsort: Düsseldorfer Rheinstadion. Verwunderung herrscht über den Ausgang – Deutschland siegte 4:2. Johan Vinterstad war damals zehn Jahre alt, verfolgte die Partie in seiner Heimatstadt Oxelösund, etwa eine Autostunde südlich von Stockholm. „Zwei Tore gegen Deutschland, das war für uns damals was Außergewöhnliches“, erklärt er den einstigen Stolzfaktor. Der 54-Jährige, der 1988 als Spitzenspieler vom TEV Fellbach verpflichtet wurde und seit 1993 Tennislehrer und -spieler beim KV Untertürkheim ist, gibt sich vor dem heutigen Duell gegen die Löw-Elf nicht so bescheiden. „Nach der Auftaktniederlage gegen Mexiko ist es ein Schicksalsspiel für Deutschland. Sie stehen gewaltig unter Druck und das wollen wir nutzen. Nach dem Auftaktsieg können wir frei aufspielen.“ Sein Leitspruch für heute Abend: „Kom igen Sverige“, was so viel heißt wie: „Auf geht’s Schweden“.

Vor allem Emil Forsberg hat es ihm angetan. „Ein echter Stratege, der sein Können ja regelmäßig bei RB Leipzig in der Bundesliga unter Beweis stellt.“ Ansonsten sei das Team solide und könne mit dem gewohnt sicheren Abwehrbollwerk dem Weltmeister das Leben sehr, sehr schwer machen. Auch ohne Superstar Zlatan Ibrahimovic. „Ein genialer Fußballer, wobei ich mir vorstellen kann, dass es aufgrund seines Egos nicht einfach ist, mit ihm zusammenzuspielen. Deshalb ist es für den Teamgedanken besser, dass er nicht dabei ist.“

An einen Sieg seiner Nationalmannschaft glaubt er zwar nicht, aber „ein 1:1 ist drin, das würde unsere Chancen aufs Weiterkommen noch mehr steigern“. Und die Fußballer würden durch einen Teilerfolg gegen den Weltmeister für etwas Balsam auf der gescholtenen schwedischen Sportlerseele sorgen. Die Niederlage des Drei-Kronen-Teams im Nationalsport Nummer 1 – dem Eishockey – gegen den Kufen-Zwerg Deutschland im Olympia-Viertelfinale hat in seiner Heimat „nachgewirkt und für Fassungslosigkeit gesorgt. Das geht gar nicht“, sagt der in Fellbach wohnendende Vinterstad mit Nachdruck. Ein Punkt des schwedischen Fußball-Teams sei vergleichbar mit dem Sieg der deutschen Puckjäger vor einigen Monaten in Südkorea. Nach der bitteren Niederlage der Eiscracks hat er sich von vielen Seiten Frotzeleien anhören müssen. „Wer weiß, vielleicht bin ich am Samstag in der Position und kann verbal austeilen“, lacht der 54-Jährige, in dessen Whatsapp-Gruppen die Kommentare vermehrt eintreffen, je näher der Anpfiff rückt.

90-minütige familiäre Probleme erzeugt das Aufeinandertreffer indes nicht. Vinterstads Frau Beatrix ist Deutsche und drückt der Löw-Elf die Daumen, „wir sehen die Sache aber beide entspannt“. Gar tiefenentspannt ist sein 19-jähriger Sohn Niklas, für den das WM-Spiel eine Art Win-Win-Situation darstellt. Er hat die doppelte Staatsbürgerschaft und meinte zu Vinterstad: „Papa, gewinnt Deutschland, freue ich mich. Gewinnt Schweden, freue ich mich auch. Ich habe also nichts zu verlieren.“

Wo die Vinterstads die Partie anschauen werden, stehe noch nicht fest. Vielleicht im Vereinsheim des KVU. So wie damals, 2006 beim Sommermärchen in Deutschland. „Ich und mein Sohn zogen die Blicke auf uns – wir waren die einzigen im Schweden-Trikot.“ Besagtes Trikot existiert weiterhin und „es passt noch wie angegossen“, sagt er augenzwinkernd.