Daimler bietet seinen Mitarbeitern mit „Mail on Holiday“ die Chance, alle während des Urlaubs eingehenden Mails löschen zu lassen. Foto: Daimler Quelle: Unbekannt

Von Mathias Kuhn

Die ersten drei Ferienwochen sind vorüber. Für viele beginnt heute der erste Arbeitstag mit Stress. Post sichten, E-Mails löschen, antworten. Nicht so bei vielen Daimler-Mitarbeitern. Sie können eingehende E-Mails vom Abwesenheitsassistenten löschen lassen - ohne ein schlechtes Gewissen zu haben, etwas verpasst zu haben. In den Unternehmen ist dies noch eine Ausnahme.

Drei Wochen in den Bergen, auf Entdeckungstour in fernen Kulturen oder Erholung am Meer sind für viele Stuttgarter vorüber. Sie haben Kraft getankt, die Seele baumeln lassen und das Geschäft Geschäft sein lassen, sich entspannt - das empfehlen zumindest Psychologen und Mediziner. „Beschäftigte tun aus Eigeninteresse gut daran, sich eine handyfreie Zeit zu nehmen“, empfiehlt die IG Metall in einem Ratgeber für Arbeitnehmer. In digitalen Zeiten gelingt Abschalten am besten, indem der Urlauber auch seine Smartphones und Tablets ausschaltet und statt im Internet auf dem Meereswellen surft. Dies gelingt scheinbar gerade 40 Prozent. Fast 60 von hundert Beschäftigten sind auch im Urlaub erreichbar oder bleiben mit ihrem Arbeitsplatz in Verbindung.

Dabei unterstützt das Arbeitsrecht die Arbeitnehmer. Nach Paragraf 1 des Bundesurlaubsgesetzes schulden Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern Erholungsurlaub. Dazu zählt auch, dass Arbeitnehmer ihre zustehende Freizeit selbstbestimmt und uneingeschränkt nutzen können. Dies sei nicht gewährleistet, wenn Arbeitnehmer trotz des Urlaubs damit rechnen müssen, von ihrem Arbeitgeber kontaktiert zu werden, haben etliche Gerichte entschieden. Zudem werde durch die ständige Erreichbarkeit gegen das Arbeitszeitgesetz verstoßen.

Die Gefahr von Burn-out wachse, wenn Arbeits- und Privatleben verschmelzen. „Wer also Urlaub hat und keine Rufbereitschaft, sollte mal richtig abschalten und die Seele baumeln lassen“, empfiehlt die Gewerkschaft.

Diese Erkenntnis hat sich auch in etlichen Unternehmen herumgesprochen. Daimler bemüht sich mit einem speziellen Programm, dass seine Mitarbeiter Beruf, private Interessen sowie Sorgen und die eigene Gesundheit in ein vernünftiges Gleichgewicht bekommen. „Live-Balance“ nennt sich das Projekt, in dessen Rahmen eine Arbeitsgruppe aus Unternehmensleitung, Betriebsrat und dem Sprecherausschuss der leitenden Angestellten vor vier Jahren das Angebot „Mail on Holiday“ für das Werk Untertürkheim entwickelt haben - zunächst zur Probe. „Wegen der hohen Akzeptanz gilt es mittlerweile für alle Werke in Deutschland“, sagt eine Pressesprecherin.

Daimler-Mitarbeiter können dank des im Unternehmen eingesetzten Abwesenheitsassistenten „Mail on Holiday“ die E-Mails, die während ihres Urlaubs eingehen, automatisch löschen lassen. Dieses freiwillige Angebot steht allen 100 000 Mitarbeitern in Deutschland zur Verfügung. „Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen sich im Urlaub erholen und keine geschäftlichen E-Mails lesen. Mit ‚Mail on Holiday‘ starten sie nach den Ferien mit einem sauberen Schreibtisch. Es entsteht kein Stau im elektronischen Postfach. Das ist eine emotionale Entlastung“, sagt Wilfried Porth, Personalvorstand und Arbeitsdirektor der Daimler AG sowie verantwortlich für Mercedes-Benz Vans.

Wichtig ist: Die Nutzung des Angebots ist eine individuelle Entscheidung der Mitarbeiter. Sie wird vom Unternehmen auch nicht registriert. Insofern gibt es keine genauen Zahlen, wie viele Beschäftigte die Möglichkeit nutzen. Die Resonanz sei aber gestiegen, schätzt eine Daimler-Sprecherin, anhand der Mail-Rückmeldungen, die sie auf ihre Scheiben erhält.

Bei vielen Unternehmen ist die Erreichbarkeit über den Abwesenheitsagenten geregelt. „Wer in Urlaub geht, muss die automatische E-Mail-Abwesenheitsbenachrichtigung einstellen. In ihr wird auch auf den Vertreter oder die Vertreterin verwiesen“, sagt Jana Steinbeck von der Pressestelle der Stadt. OB Fritz Kuhn und die Bürgermeister seien aber im Notfall täglich erreichbar. „Der Oberbürgermeister reagiert schnell auf SMS“, verrät sie. Auch bei den Geldinstituten, der LBBW, der Volksbank am Württemberg und der Volksbank Stuttgart gilt die Regelung mit dem Abwesenheitsassistenten. „Eine automatische Lösung wäre aber reizvoll“, meint eine Banksprecherin.