Zum Fahrplanwechsel fahren die Busse der Linie 64 wieder auf ihrer ursprünglichen Strecke vom Frauenkopf bis zur Stelle. Foto: Steegmüller - Steegmüller

Das Pilotprojekt läuft im Dezember aus. Trotz Protesten des Bezirksbeirats wird es nicht verlängert.

Stuttgart-OstTatjana Strohmaier, die Bezirksvorsteherin von Stuttgart-Ost, wurde schon in den Sommerferien darüber informiert, dass die Linie 64 nach dem Fahrplanwechsel im Dezember aus Kostengründen nicht mehr zur Waldebene fahren wird. Bereits damals hat sie gefordert, dass die Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) auch im Bezirksbeirat Stuttgart-Ost über das Ende des Pilotprojekts berichtet. Diesem Wunsch kamen jetzt zwei SSB-Mitarbeiter nach. Das Gremium will die Entscheidung des Verkehrsunternehmers jedoch nicht akzeptieren. Einstimmig haben sich die Beiräte für die Fortsetzung des Projekts ausgesprochen. Und gleichzeitig gefordert, an einigen Stellschrauben zu drehen. Damit die Linie mehr Zuspruch findet, müsse sie mindestens bis zum Gablenberger Schmalzmarkt verlängert werden. „Am besten bis nach Berg“, sagt Jörg Trüdinger von der SPD.

Dass es dazukommt, ist äußerst unwahrscheinlich. Die SSB spricht sich klar gegen eine Fortführung des Projekts aus. „Die Frequenz lässt keinen Umfang erkennen, der zum Weiterbetrieb ermutigt“, sagt ein Unternehmenssprecher. Die Versuche, die Waldebene Ost an den öffentlichen Personennahverkehr anzuschließen, hätten 2002 begonnen, damals mit einem Linientaxi. „Seither haben wir alles probiert. Die Bewältigung eines sehr punktuellen Freizeitverkehrs stößt hier an die Grenzen des klassischen Linienverkehrs.“ Die Fahrgastzahlen der Busse würden den Betrieb als ÖPNV-Linie nicht rechtfertigen. „Die Kostendeckung liegt unter zehn Prozent.“ Den jährlichen Betriebskosten von 200 000 Euro würden nur rund 18 000 Euro zusätzliche Einnahmen gegenüberstehen. Es bestehe ein Zuschussbedarf von 15 Euro pro Fahrgast, der Kostendeckungsgrad liege bei neun Prozent. Im Mai und August 2017 sowie im vergangenen Mai hat die SSB Fahrgastzählungen durchgeführt. Die Zahlen lagen von Montag bis Samstag bei 0,6 Fahrgästen pro Fahrt im Schnitt. Am Sonntag waren es 0,9. Sie würden sich auf „sehr niedrigem Niveau“ bewegen, so die Beurteilung der SSB. Des Weiteren konnten keine starken Nachfragespitzen festgestellt werden, sondern eine relativ gleichmäßige Verteilung über den ganzen Tag.

Aufgrund dieser Erkenntnisse hat der SSB-Aufsichtsrat bereits am 26. Juni beschlossen den Probebetrieb nicht fortzusetzen. Auch die Verlängerung des 64er in den Stuttgarter Osten sei nicht realistisch. „Sie würde ein zusätzliches Fahrzeug erfordern und wäre damit gänzlich unwirtschaftlich.“

Argumente, die man in Stuttgart-Ost nicht teilen will. Einer der größten Kritikpunkte der Vereine auf der Waldebene, der Gewerbe- und Handelsvereine Gablenberg und Stuttgart-Ost ist die Zuverlässigkeit der Buslinie 45 als Zubringer. Durch Staus in Bad Cannstatt, in der Talstraße oder in Gablenberg kommt der 45er oft erst im Buchwald an, wenn der Bus der Linie 64 bereits abgefahren ist. Die SSB AG sieht das anders: Die Anschlusssituation zur Linie 45 mit einer circa sechsminütigen planmäßigen Übergangszeit liege im üblichen Rahmen, eine längere Frist wäre unattraktiv, argumentiert das Unternehmen. „Gelegentlich ist der 45er stärker verspätet, sodass der direkte Anschluss nicht gegeben ist – das ist aber ein genereller Umstand bei der Linie 45. Dem könnte durch mehr Busspuren für Linie 45 abgeholfen werden, damit wäre ein erheblicher Nutzen für alle Fahrgäste gegeben, unabhängig von Linie 64. Solche Spuren wurden aber bisher nicht bewilligt“, so der SSB-Sprecher.

Für Bezirksvorsteherin Strohmaier ist diese Sichtweise nicht nachvollziehbar. „Leider gibt es im Stuttgarter Osten keine Möglichkeiten mehr Busspuren einzuführen, der Verkehr ist zum großen Teil bereits jetzt einspurig oder mit einer Busspur ausgestattet. Viel interessanter wäre die Idee, den 45er beim Ostendplatz drehen zu lassen und dafür den 64 bis zum Ostendplatz durchfahren zu lassen. Fast keine Fahrgäste nutzen die komplette Anbindung Cannstatt – Buchwald.“

Zugleich mahnt die Bezirksvorsteherin an, dass zurzeit alle über den Ausbau des ÖPNV reden würden und wie man Autofahrern den Umstieg schmackhafter machen könnte. „Hier bietet sich die Möglichkeit, ein Gebiet neu an den ÖPNV anzubinden und wirkliche Potenziale zu heben. Es geht nicht nur um die bloße Kostenrechnung auf der Strecke, sondern auch darum, dass Menschen mit Abo die Anbindung nutzen würden. Die allein wirtschaftliche Betrachtung, gerade bei einem Zuschussbetrieb wie dem ÖPNV, muss da enden, wo der Betrieb aus gesellschaftlichen Gründen sinnvoll und notwendig wird.“