Bauhelm statt Sonnenbrille: Täglich acht Stunden arbeitete Ilka-Renata Eckart auf der Baustelle. Quelle: Unbekannt

In seinem Urlaub muss man nicht immer faulenzen und die Sonne am Strand genießen - zumindest aus Sicht von Ilka-Renata Eckert. Die Leiterin des Awo-Begegnungs- und Servicezentrum Hedelfingen hat stattdessen beim Hilfsprojekt Heim-statt Tschernobyl mitgeholfen, eine Behindertenwerkstatt in Weißrussland zu bauen.

Von Alexander Müller

Neben einem guten Gefühl durch die Hilfe vor Ort „lernt man Land und Leute besser kennen. Ich nehme mehr mit, als ich gegeben habe“, ist Eckert überzeugt. Eine Vorliebe für Osteuropa hat die 42-Jährige bereits seit ihren Studientagen. Oftmals reist sie alleine durch verschiedene Länder. Dabei „wende ich mich hin und wieder auch an deutsche Kirchengemeinden und frage, ob ich bei der Altenhilfe mitarbeiten darf“, sagt Eckert. „Das ist auch nicht weitreichend anders als meine Aufgabe hier“, erklärt Eckert. Seit mehr als fünf Jahren arbeitet sie in der Einrichtung im Bürgerhaus Hedelfingen. Und auch im Urlaub kann sie nicht aus ihrer Haut, sie ist mit Leib und Seele eben Sozialarbeiterin.

Den Verein Heim-statt Tschernobyl kennt Eckert bereits sehr lange. Vor knapp 20 Jahren war sie für diesen schon einmal im Einsatz in Weißrussland. Seit den 1990er-Jahren baut der Verein ganze Dörfer aus Lehmhäusern für Aussiedlerfamilien aus den verstrahlten Gebieten rund um das Kernkraftwerk im Grenzgebiet zur Ukraine. „Zum einen ist das Ziel, die Menschen wieder in nicht belasteten Regionen unterzubringen, aber auch einen ökologischen Alternativweg zum Atomwahnsinn aufzuzeigen“, erklärt Eckert. Unter anderem wurden so im Ort Drushnaja 2000 die ersten Windräder im Land aufgestellt. „Heute gibt es knapp 60 Stück und auch eine politische Vorgabe weitere umzusetzen“, weiß Eckert. Seit ihrem ersten Einsatz wollte sie immer wieder einmal dahin zurück. Zwar baut der Verein nunmehr keine Aussiedlerhäuser mehr, vielmehr widmet er sich nun Projekten zur Verbesserung der Infrastruktur. In Kooperation mit der Kommunalverwaltung entsteht nunmehr in der Kreisstadt Lepel im Nordosten des Landes eine Behindertenwerkstatt. Dass das örtliche Sozialamt auf den Hilfsverein zugekommen ist, zeige den hohen Stellenwert, den die ehrenamtlichen Helfer inzwischen erlangt haben. „Und das in einem Land, indem es kaum üblich ist, sich ehrenamtlich zu engagieren, weil Menschen es sich einfach nicht leisten können, unbezahlt zu arbeiten“, weiß Eckert. Drei Wochen lang war die Sozialarbeiterin an der Stadt am Ufer des Lepeler Sees in der Region Vitebsk im Einsatz. Untergebracht in Aussiedlerhäusern, zog es Eckert aber vor, im Zelt zu übernachten. Für das dringende Bedürfnis stand ein Plumpsklo zur Verfügung. „Ein Cluburlaub war es sicher nicht“, lacht Eckert. Morgens um 8 Uhr ging es täglich auf die Baustelle. Den zirka acht Kilometer langen Weg legte Eckert zumeist mit dem Fahrrad zurück. Acht Stunden lang wurde täglich gearbeitet. Die Aufgabe war es, aus einem Gemisch aus Holzhäcksel, Lehm und Wasser die Wände zu bauen. Unzählige Eimer mussten geschleppt werden. Zuvor wurden die Holzbalken noch eingestrichen, um sie vor Insektenbefall zu schützen. Die Gruppe war für das Auffüllen der Außenwände mit Lehm und Holzhäcksel zuständig. Bei einem Eigenanteil, der aus Spenden finanziert werden muss, erhält der Verein Heim-statt Tschernobyl einen großen finanziellen Zuschuss vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit, den weiteren Ausbau des Gebäudes trägt die Kommune und der Kreis Lepel. „Es ist das erste gemeinsame Projekt“, so Eckert. Neben den deutschen waren auch freiwillige Helfer aus Weißrussland im Einsatz. „Und einige Behinderte haben geholfen“, sagt Eckert. Es war ein Begegnungsprojekt, auch über den eigentlichen Bau hinaus. „Am Wochenende gab es immer wieder Feierlichkeiten oder ein schönes Rahmenprogramm mit Ausflügen. Der Zusammenhalt war toll“, betont Eckert. Die Verständigung erfolgte mit den wenigen russischen Worten, die sie beherrscht, oder über Dolmetscher. Die Definition behinderter Menschen sei in Weißrussland anders. „Sie werden als Invalide bezeichnet.“ In der jetzigen Einrichtung gibt es für die Menschen, die alle bei ihren Familien leben, in Büroräumen, die ihnen von der Stadt Lepel überlassen wurden. Aber die jetzige Einrichtung platzt aus allen Nähten. Das soll sich bis September 2018 ändern. Dann wird die Behinderten-Werkstatt eingeweiht. Und Eckert überlegt, „ob ich dann auch wieder hinreise“ statt am Strand zu liegen.

Spendenkonto: Heim-statt Tschernobyl, KSK Böblingen, IBAN: DE55 6035 0130 0002 3488 87, BIC: BBKRKDE6BXXX.