Das ehemalige Kinogebäude in der Oberstdorfer Straße wird abgerissen. Anwohner fürchten ein Verkehrs- und Parkchaos. Foto: Kuhn Quelle: Unbekannt

Von Mathias Kuhn

Der Bagger steht bereit: Das ehemalige Kinogebäude an der Ecke Oberstdorfer-/Silvrettastraße wird abgerissen. Auf dem Grundstück werden Wohnungen gebaut. Ein Stück lokale Kulturgeschichte geht verloren. Auch die einstige Geschäftsstraße verarmt dadurch. Ein Fachgeschäft nach dem anderen gab in den vergangenen Jahren den Standort in dem Viertel auf.

Die Anwohner sind informiert, die Passanten sehen es an den Abschrankungen rund um das Gebäude an der Ecke Oberstdorfer-/ Silvrettastraße. Die Tage des einstigen „Sonnenkinos“ sind gezählt. Der lang gestreckte Flachdachbau wird in den kommenden drei Wochen abgerissen werden. Eine Objektbaufirma aus der Region wird auf dem Grundstück ein Wohngebäude mit Tiefgarage errichten. Die Anwohner beäugen die beginnenden Bauarbeiten skeptisch. Vor allem im nachmittäglichen Feierabendverkehr herrscht ein Verkehrs- und Parkchaos. Als am Dienstag der Bagger angeliefert wurde und die Oberstdorfer Straße über Minuten blockiert war, weiteten sich die Staus über den gesamten Ortskern aus. Ein Vorgeschmack? Laut Anwohnerschreiben wird während den Rohbauarbeiten die Oberstdorfer Straße komplett und die Silvrettastraße halbseitig gesperrt. „Das Chaos will ich mir nicht vorstellen“, sagt ein Untertürkheimer. Die Auswirkungen bekommen die Anwohner und die Fachgeschäfte heute bereits zu spüren. Durch den Wegfall der Stellflächen rings um das Abrissgebäude wird die angespannte Parkplatzsituation noch prekärer. „Unsere Kunden, die oft schlecht zu Fuß sind, müssen entweder weit gehen oder einen Strafzettel riskieren“, sagt eine Mitarbeiterin des Sanitätshauses. Das Be- und Entladen von Geräten, Hilfs- und Heilmittel wird für Kunden und Mitarbeiter zum Spießrutenlauf, der oft ein Knöllchen einbringt.

Einstige Filmtheaterromantik

Mit dem Abriss des Gebäudes geht auch ein Stück lokaler Kulturgeschichte verloren. „Die Baufläche war Teil des renommierten Gasthauses Sonne“, sagt Ortschronist Eberhard Hahn. Das Grundstück der Wirtschaft an der heutigen Augsburger Straße erstreckte sich bis zur heutigen Silvrettastraße. „Hinter dem beliebten Gastrobetrieb schloss sich der nicht weniger beliebte Sonnengarten mit Kastanienbäumen und einem Podium für Musik- und Tanzveranstaltungen an“, erinnert sich Hahn. Im Anschluss daran hatte der Sonnenwirt seinen Gemüsegarten. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs - Kinos boomten - wurde dort ein Lichtspielhaus errichtet: das Sonnenkino. „Mit dem Aufkommen des Fernsehens flaute der Zuspruch jedoch ab“, so Hahn. Das Sonnenkino schloss. Jahrelang nutzte dann Aldi die Räume. Als der Discounter auszog, folgte der Textil-Discounter KiK. Er gab vor wenigen Monaten den Standort Untertürkheim auf. Eine Objektbau-Gesellschaft aus der Region erwarb das Grundstück. „Sie wird auf ihm Wohngebäude mit einer Tiefgarage errichten“, erzählt Bezirksvorsteherin Dagmar Wenzel.

Damit setzt sich ein Trend fort: „Früher waren die Oberstdorfer und die Stubaier Straße richtige Geschäftsstraßen mit vielen Fachgeschäften“, erinnern sich Michael Marquardt und Uwe Allabar. Beide sind in dem Viertel aufgewachsen. Inhabergeführte Lebensmittelfachgeschäfte, Modeboutiquen, ein Schreibwaren- und ein Fahrradladen, Verkaufsflächen von Handwerksbetrieben, Friseure und andere. Die traditionsreiche Apotheke in der Oberstdorfer Straße schloss vor kurzem und Michael Marquardts wird im Februar sein Versicherungsbüro von der Oberstdorfer in die Arlbergstraße verlegen. „Die Gegend wird zum Wohnviertel“, stellt Allabar fest. Damit wird unbewusst den Vorschlägen des Masterplan-Teilprojekts „Stadtteil konkret“ Rechnung getragen. „Dort wird vorgeschlagen, dass Untertürkheim seine Fachgeschäfte im Ortskern und rund um den Bahnhof konzentriert“, sagt Wenzel.